Die Stuttgarter Stadtverwaltung hat den Umbau der Wagenhallen europaweit ausgeschrieben. Das sei etwas vorschnell, kritisieren die Fraktionsspitzen von SPD und CDU. Oberbürgermeister Fritz Kuhn hält dagegen.

Stuttgart - Der Umbau der Wagenhallen hat zumindest inoffiziell begonnen. In der europaweiten elektronischen Ausschreibungsdatenbank TED (Tenders Electronic Daily) werden Ausschreibungen der öffentlichen Hand für die Bereiche Bau, Lieferung und Dienstleistung veröffentlicht. Unter der laufenden Nummer 2015/080-141479 findet sich unter der Überschrift „Dienstleistungen von Architekturbüros“ eine Auftragsbekanntmachung der Landeshauptstadt. Das Hochbauamt beschreibt darin den zu vergebenen öffentlichen Auftrag als „Gebäudeplanung für den Umbau und Sanierung der Wagenhallen im Inneren Nordbahnhof“.

 

Ausgeschrieben werden die Dienstleistungen Architektur, technische Beratung und Planung, integrierte technische Leistungen, Stadt- und Landschaftsplanung, die zugehörige wissenschaftliche und technische Beratung, technische Versuche und Analysen. Der Vertrag würde am 1. August beginnen, der Auftrag müsste bis Ende 2017 beendet sein.

Brandschutz wird als wichtiger Aspekt genannt

Die Interessenten erfahren, dass die Wagenhallen 1885 errichtet und von der Bahn zur Wartung und Reparatur von Lokomotiven und Wagen genutzt wurden. Künftig sollen in dem Komplex „dauerhaft kulturelle Nutzungen etabliert werden“. Neben dem Veranstaltungsbetrieb sollen diverse Künstlerateliers untergebracht werden. Wichtige Aspekte seien die Herstellung des Brandschutzes und die bauliche Trennung der Gebäudeteile, die Erneuerung des Daches und die Beachtung schalltechnischer Anforderungen. Schließlich soll in der Nähe ein Wohngebiet entstehen.

„Der Erhalt des industriellen Charakters ist gewünscht“, heißt es in der Ausschreibung, die es nach Ansicht von SPD-Fraktionschef Martin Körner noch gar nicht geben dürfte, weil sich der Gemeinderat noch gar nicht dazu durchgerungen hat, den Grundsatzbeschluss für das auf mindestens 30 Millionen Euro geschätzten Projekt zu fassen. Denn bisher hat sich die Rathausspitze lediglich mit den kulturpolitischen Sprechern und den Fraktionsvorsitzenden vorabgestimmt.

„Es sind nur die Planungsleistungen, nicht die Bauleistungen ausgeschrieben“, teilt ein Stadtsprecher auf Anfrage mit. Es sei durchaus üblich, dass man erst plane und dann die entsprechenden Beschlüsse im Gemeinderat gefasst würden. So müsse etwa eine Planung mindestens bis zur Leistungsphase 3 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure, das ist die Entwurfsplanung, vorliegen, damit ein Projekt überhaupt im Haushalt veranschlagt werden dürfe. „Ohne entsprechende Planungen werden wir auch die im Raum stehenden Kostenangaben nicht verifizieren können“. In der Ausschreibung sei ausdrücklich vermerkt, dass die Leistungen stufenweise vergeben würden – allerdings ist der Auftragnehmer auch verpflichtet, die Leistungen bis zur Phase neun zu übernehmen. Es würden keine Fakten geschaffen, bevor der Gemeinderat über die Bereitstellung der Mittel entscheidet, betont der Stadtsprecher.

SPD-Fraktionschef kritisiert Rathausspitze

„Die Ausschreibung ist die logische Konsequenz des verkorksten Vorgehens der Verwaltungsspitze“, kritisiert dagegen SPD-Chef Körner. Wer bereits Juni/Juli eine Entscheidung treffen wolle, müsse zwangsläufig schon jetzt die Ausschreibung für die Gebäudeplanungen vornehmen. Es sei nicht in Ordnung, zwei bis drei Monate vor Beginn der Haushaltsberatungen eine 30-Millionen-Entscheidung für ein einzelnes Projekt zu treffen. In der mittelfristigen Finanzplanung seien für 2017 Nettoinvestitionen in Höhe von 138,2 Millionen Euro vorgesehen. Diese sollten also kurzerhand um 22 Prozent erhöht werden, ohne dass eine Ansage zur Finanzierung mitgeliefert würde. „Vor dem Hintergrund anderer Investitionsbereiche – ich nenne nur mal die Schulen, bei denen wir derzeit von einem Mehrbedarf von mindestens 200 Millionen Euro ausgehen – halte ich das für unseriös“. Die Vorlage der Verwaltung für den Juni/Juli müsse aus seiner Sicht „mindestens einen Hinweis enthalten, nachdem die endgültige Entscheidung erst im Dezember mit dem Beschluss zum Doppelhaushalt getroffen wird“.

Alexander Kotz (CDU), der das Vorpreschen der Rathausspitze kritisiert und ein klärendes Gespräch mit Fritz Kuhn angekündigt hatte, reagiert zurückhaltend auf die Ausschreibung der Planungsleistungen. Es gebe zwar die mündliche Zusicherung für die Sanierung , aber eben noch keinen Beschluss im Grundsatz. Würde sich der Gemeinderat in Anbetracht der angespannten Haushaltslage und der langen Investitionsliste für die Kultur anders entscheiden, müsste man die Ausschreibung revidieren. Er hoffe, dass dies nicht mit Kosten für die Stadt verbunden sei, so Kotz.

Dass diese Leistungen mit jenen fünf Millionen Euro beglichen werden könnten, die der Gemeinderat vor zwei Jahren zur Ertüchtigung der Wagenhallen bereit gestellt hat, schließt der CDU-Chef aus. „Das waren Sanierungsmittel, damit kann man jetzt keine Planungen finanzieren.“

Wagenhallen sind nur ein Projekt von vielen

Die Verwaltung habe den Sanierungsbedarf und die Handlungsoptionen dargelegt, und die Verwaltungsspitze habe dies bewertet, hatte OB Fritz Kuhn (Grüne) sein Vorgehen begründet, nachdem Kritik an der Veröffentlichung des Sanierungsplans laut geworden war. Selbstverständlich liege es in der Hand und in der Verantwortung des Gemeinderats, eine Sanierung der Wagenhallen zu beschließen oder abzulehnen, so Kuhn. Das Stadtoberhaupt kündigte eine Entscheidung vor der Sommerpause an, die dann in den anstehenden Haushaltsberatungen mit der notwendigen Finanzierung unterlegt werden solle.

Die Wagenhallen sind allerdings nur ein Projekt auf der langen Sanierungsliste der zuständigen Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU). Ihre Investitionsliste hat ein Volumen von etwa 400 Millionen Euro. Weitere Punkte sind die Sanierung und die Erweiterung der Oper, die Reparaturleistungen im Kleinen Haus, der Neubau des Lindenmuseums, das Theaterhaus, das Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle, das Film- und Medienhaus sowie Räume für die freie Tanz- und Theaterszene.