Die Bundesversammlung wählt ein neues Staatsoberhaupt - ein Erfolg von Ex-Außenministers Steinmeier gilt als sicher. Der Bundestagspräsident nutzt den Anlass für starke Worte in Richtung Trump. Dafür bekam er im Saal und im Netz Applaus.

Berlin - Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat den Auftakt des Wahl des Bundespräsidenten zu einer eindringlichen Warnung an US-Präsident Donald Trump genutzt, die internationalen Beziehungen nicht zu gefährden. „Wer Abschottung anstelle von Weltoffenheit fordert und sich sprichwörtlich einmauert“, wer ein „Wir zuerst“ zum Programm erkläre, dürfe sich nicht wundern, wenn es im andere gleichtäten - „mit allen fatalen Nebenwirkungen für die internationalen Beziehungen“, ergänzte Lammert, ohne Trump beim Namen zu nennen.

 

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In einer spontanen Reaktion erhob sich ein Großteil der mehr als 1200 Mitglieder der Bundesversammlung und applaudierte Lammert stehend, darunter auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Lammerts Kritik richtete sich an Trump

Lammert sagte, nicht etwa die Werte des Westens stünden in Frage, „wohl aber unsere Haltung - zu Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und den Prizipien der repräsentativen Demokratie“. Herausforderungen wie die Migrationsströme oder der Kampf gegen Terrorismus und Klimawandel könnten nicht von Nationalstaaten allein bewältigt werden. Wenn weder der russische noch der US-Präsident ein Interesse an einem starken Europa erkennen ließen, „ist dies ein zusätzliches Indiz dafür, dass wir selbst dieses Interesse an einem starken Europa haben müssen“. Auch im Netz bekam Lammert für seine Rede viel Lob.

Im Anschluss an die Worte Lammerts wählte die Bundesversammlung einen neuen Bundespräsidenten. Ein Erfolg des 61 Jahre alten früheren Außenministers Frank-Walter Steinmeier im ersten Wahlgang galt als sicher. Der SPD-Politiker ging sieben Monate vor der Bundestagswahl am 24. September als Kandidat der großen Koalition ins Rennen. Weder Unions- noch SPD-Politiker wollten dies aber als Signal für eine erneute große Koalition nach der Bundestagswahl werten. Auch große Teile von Grünen und FDP hatten Zustimmung zu Steinmeiers Kandidatur signalisiert. Zuletzt war 1999 mit Johannes Rau ein Sozialdemokrat ins höchste Staatsamt gewählt worden.

Die Amtszeit des neuen Bundespräsidenten beginnt am 19. März, bis dahin ist noch Joachim Gauck (77) im Amt. Dieser kandidierte aus Altergründen nach fünf Jahren Amtszeit nicht wieder. Lammert würdigte Gauck: „Das solidarische Miteinander der Bürgerinnen und Bürger lag Ihnen ganz besonders am Herzen.“

Steinmeier trat gegen vier weitere Kandidaten an. Die Linkspartei hatte den Armutsforscher Christoph Butterwegge nominiert. Für die AfD kandidierte Bundesvize Albrecht Glaser, für die Freien Wähler der Richter Alexander Hold. Fünfter Bewerber ware Engelbert Sonneborn, Vater des Satirikers und Europaabgeordneten Martin Sonneborn, der von der Piratenpartei in die Bundesversammlung entsandt wurde.

Viele Prominente sind unter den Wahlleuten

Die Bundesversammlung tritt nur zusammen, um das Staatsoberhaupt zu wählen. Sie besteht aus den Abgeordneten des Bundestags und ebenso vielen Vertretern der Bundesländer.

Steinmeiers Ehefrau, die Verwaltungsrichterin Elke Büdenbender, nahm neben der Lebensgefährtin von Joachim Gauck, Daniela Schadt, auf der Besuchertribüne Platz. Unter den Wahlleuten waren Prominente wie der Komiker Hape Kerkeling, die Musiker Roland Kaiser und Peter Maffay, die Schauspielerinnen Iris Berben und Veronika Ferres sowie Bundestrainer Joachim Löw.

Mit Spannung wurde erwartet, wie viele der 1260 Mitglieder der Bundesversammlung für Steinmeier stimmen. Vor allem aus CDU und CSU, die keinen eigenen Kandidaten präsentiert hatten, dürfte es nicht nur Zustimmung für den prominenten SPD-Politiker geben. Union und SPD haben zusammen 923 Stimmen, also weit mehr als die 631, die im ersten Wahlgang notwendig sind.

Am Samstagabend hatten Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer in den eigenen Reihen um Unterstützung für Steinmeier geworben. Er sei „nicht irgendein Sozialdemokrat“, sondern der Sozialdemokrat, dem sie zutraue, dass er Deutschland gut vertrete, sagte Merkel nach Teilnehmerangaben in einer Sitzung der Unionsfraktion. Steinmeier selbst sagte vor den SPD-Abgeordneten und Wahlleuten, es gehe um die Kernfrage, welcher Kitt die Gesellschaft noch zusammenhalte.

59 Prozent der Deutschen erwarten, dass Steimmeier ein guter Bundespräsident wird. Das ergab eine Emnid-Umfrage für die „Bild am Sonntag“. 19 Prozent glauben demnach nicht, dass Steinmeier ein guter Bundespräsident wird („weiß nicht“, keine Angabe: 22 Prozent).