Die Große Kreisstadt hat schon einmal bessere Zeiten gesehen. Dennoch wirbt der Oberbürgermeister Michael Makurath dafür, den Blick auch darauf zu richten, wie sich Ditzingen in den vergangenen Jahren entwickelt hat.

Ditzingen -

 
Die Große Kreisstadt hat schon einmal bessere Zeiten gesehen. Dennoch wirbt der Oberbürgermeister Michael Makurath dafür, den Blick auch darauf zu richten, wie sich Ditzingen in den vergangenen Jahren entwickelt hat.
Herr Makurath, die finanziellen Spielräume werden kleiner, die Pflichtaufgaben teurer und die Nachbarn nicht einfacher – macht der Job da überhaupt noch Spaß?
Es hat sich in den letzten acht Jahren wenig verändert, was diese Rahmenbedingungen angeht. 2005, bei der letzten Wahl, holte die Wirtschaft Schwung. 2008 waren wir die steuerstärkste Kommune in der Region Stuttgart. Wir hatten 32 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen und 20 Millionen Euro in der Rücklage, das war ein gutes Gefühl. Dann kamen die Jahre 2009 bis 2011, in denen die Gewerbesteuer eingebrochen ist und wir 20 Millionen Rücklage verloren. 2010 kam das Hochwasser, was uns nochmals zehn Millionen gekostet hat. Das zahlte zwar die Versicherung, aber es hat uns zwei, drei Jahre Zeit gekostet. Die Südumfahrung von Heimerdingen ist endlich im Generalverkehrsplan des Landes, der Bahnhof verändert sich, ebenso die Einzelhandelssituation, Trumpf hat erweitert, und Thales ist gekommen – es hat sich trotz aller Probleme viel verändert. Die acht Jahre waren, glaube ich, ganz gut für die Stadt. Sie waren nicht immer einfach. Aber daraus entsteht der Reiz.
Das war ja gerade Wahlkampf in eigener Sache. Treten Sie wieder an?
Ja, denn es ist vieles auf dem Weg. Ich würde schon noch erleben wollen, wie das ins Ziel gebracht wird. Zudem bekommt man in meinem Beruf keine Zeugnisse. Wenn man wissen will, wie die Leute über die Arbeit denken, muss man wieder kandidieren. Das ist jetzt nicht das primäre Ziel, aber es würde mich schon interessieren.
Dürfen die Ditzinger annehmen, dass Sie nicht erneut in höhere Ämter streben – so wie 2008, als Sie Böblinger Landrat werden wollten?
Es gibt kein höheres Amt als das des Oberbürgermeisters von Ditzingen! Im Ernst: dass man gelegentlich gefragt wird und Versuchungen ausgesetzt ist, gehört dazu. Aber ich habe in Ditzingen meinen Platz gefunden.
Aber der eigene Handlungsspielraum wird kleiner, Themen werden zunehmend interkommunal gelöst. Zwei Beispiele: der Zweckverband Strohgäubahn entstand, und im Scheffzental bauen Ditzingen, Gerlingen und Stuttgart den Hochwasserschutz aus.
Was die einzelne Kommune selbst beeinflussen kann, reicht insbesondere im Ballungsraum nicht mehr aus, um alle Problemfelder abzudecken. Das ist keine neue Erkenntnis. Die interkommunale Zusammenarbeit ist deshalb auch nicht neu. Denken Sie etwa an die Rechenzentren, die wir seit Jahrzehnten gemeinsam betreiben. Die Bemühungen, die kommunalen Kräfte in der Raumschaft zu bündeln, ist kein neues Aufgabenfeld. Allerdings muss auch auf diesem Feld erst einmal geackert und gesät werden, bevor man ernten kann.
Bedeutet die interkommunale Zusammenarbeit zugleich ein Zusammenrücken im Strohgäu?
Das ist nicht zwingend damit verbunden. Aber je mehr man kooperiert, desto mehr wächst das Verständnis für die Probleme der anderen.
Die Reaktion der Gerlinger Nachbarn in Sachen zweiter Autobahnanschluss ist bisher wenig von Verständnis geprägt.
Erfahrungsgemäß braucht es mehr Zeit, Probleme als gemeinsam anzuerkennen, wenn sich diese auf anderen Markungen kristallisieren. Die Frage ist doch, ob es gelingt, transparent zu machen, warum man so hartnäckig an dem Thema dranbleibt. Das braucht Zeit. Und man darf nie glauben, man habe die Weisheit mit Löffeln gefressen.
Sie haben zwischenzeitlich die Einladung des Gerlinger Gemeinderats zu einem Gespräch angenommen.
Ja sicher. Ich weiß es sehr zu schätzen, dass in dieser strittigen Situation die Einladung ausgesprochen wurde, vor und mit dem Gerlinger Gemeinderat zu sprechen. Fast ein historischer Moment.
Wie verlief das Gespräch?
Es war konstruktiv im Austausch der Themen, die uns bewegen. Ich hoffe, dass sich weitere Gespräche anschließen und wir auch mal einen gemeinsamen Blick auf die Probleme der Raumschaft werfen.
Das drängt sich auf, schließlich liegen beide Kommunen in einem Ballungsraum.
Ja, wir sind nicht auf der Schwäbischen Alb, da ist der Nachbar weit, und die Probleme sind andere. Und die Wirtschaft denkt nun mal nicht markungsbezogen. Wenn sie von einem guten Standort spricht, schaut sie nicht auf Ditzingen, sondern auf die Infrastruktur, die Erschließung und die Erreichbarkeit der Region. Wenn der Standort Schwächen hat, adressiert sie das vielleicht an die Markungsgemeinde, aber die kann das Problem nicht allein lösen. Es ist deshalb im regionalen Interesse, dass wir solche Probleme lösen, denn wir sollten insgesamt ein guter Standort bleiben. Dafür benötigen wir den Landkreis, den Verband Region Stuttgart und das Land, um die planerischen und verkehrlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. Aber wir müssen auch auf Gemeindeebene erkennen, dass wir kooperieren müssen, um zukunftsfähig zu bleiben.
Gleichwohl hat Verkehrsminister Hermann die Ditzinger für ihre „nicht mehr zeitgemäße Ansiedlungspolitik“ kritisiert.
Was ist zeitgemäß? Hätte man Thales hier keinen Standort geboten, hätte das Unternehmen die Region verlassen. Wäre es zeitgemäß zu sagen: dann geh doch und nimm die 1500 Arbeitsplätze aus der Region mit? Ich glaube nicht, dass die davon betroffenen Arbeitnehmer für eine solche Haltung Verständnis haben würden.
Haben Sie sich über die Aussage des Ministers geärgert?
Ich habe mich gewundert. Mit seinem Ministerium arbeitet er an wichtigen Themenfeldern und trägt große politische Verantwortung. In diesem Punkt bin ich aber nicht überzeugt, dass diese Kritik hilfreich ist, um die Herausforderungen unserer Wirtschaftsregion Stuttgart zu bestehen.