Im strategisch wichtigen Georgien kämpften der Präsident und ein Milliardär erbittert um die Macht im Parlament. Nun hat der reiche Iwanischwili das Duell für sich entschieden.

Tiflis - In Georgien mischt sich in den überschäumenden Jubel über das Ende des Machtmonopols von Präsident Michail Saakaschwili rasch auch Skepsis. Der neue Hoffnungsträger Bidsina Iwanischwili (56), mit einem Milliardenvermögen der reichste Mann des Landes, genießt zwar einen guten Ruf, aber er gründete seine Bewegung Georgischer Traum erst im April – und gilt schon allein deshalb als unberechenbar und politisch wenig erfahren. „Alle lieben Bidsina“, sagt die Sekretärin Karina in Tiflis. „Aber er hat auch schlechte Leute um sich herum.“ Sie denkt, dass Iwanischwilis Sechs-Parteien-Bündnis, das die Südkaukasusrepublik auf dem Weg in die EU und Nato voranbringen soll, instabil sei. Trotzdem hat sie sich – wie die Mehrheit der Wähler – für einen Neuanfang nach der Rosenrevolution von 2003 mit Iwanischwili entschieden. Ein Grund dafür seien auch die jüngst veröffentlichten Videos von Folter und Vergewaltigung in den Gefängnissen gewesen.

 

Nach neun Jahren unter Saakaschwili war die Wechselstimmung in der Ex-Sowjetrepublik am Schwarzen Meer überall zu spüren. Sogar viele Geistliche der einflussreichen georgisch-orthodoxen Kirche demonstrierten mit gegen das Machtlager. Der 44-jährige Saakaschwili räumte schon lange vor der Bekanntgabe des Endergebnisses seine Niederlage ein. Zehntausende feierten in der Wahlnacht in Tiflis Saakaschwilis Niederlage mit Autokorsos und tanzten auf den Straßen.

Auch im eigenen Lager umstritten

Auch im eigenen Lager und im Westen war der Rückhalt für den als Heißsporn bekannten Saakaschwilli zusehends geschwunden. Seit dem aussichtslosen Südkaukasuskrieg gegen Russland 2008 steht er im Ruf, unkontrollierbar zu sein. Über die Grenzen Georgiens hinaus gab es zudem Befürchtungen, der Politiker könne sich durch zunehmend autoritäre Methoden für immer im Machtzentrum einrichten. Jetzt ist er ein Präsident aus dem künftigen Oppositionslager.

Saakaschwilis zweite und letzte Amtszeit endet verfassungsgemäß im Oktober 2013. Erst mit der nächsten Präsidentenwahl gehen die wichtigsten Machtbefugnisse nach einer Verfassungsänderung an den Regierungschef über. Viele hatten erwartet, dass Saakaschwili auf diese Weise der mächtigste Mann Georgiens bleiben wollte. Nun aber muss er sich – wohl nicht zuletzt auf Druck der USA – mit der Rolle des Oppositionsführers begnügen. Damit erfüllt sich auch der Wunsch des Westens: Erstmals werden die Machthaber von einer starken Opposition kontrolliert.

US-Lobbyisten unterstützen den Oligarchen

Im Wahlkampfstab seines Widersachers Iwanischwili unterstützten ganze Heerscharen von US-Lobbyisten, Politikern und Wissenschaftlern im Hintergrund die Kampagne des Oligarchen. Einige von ihnen waren einst auf Saakaschwilis Seite. Doch nun trauen sie wohl eher dem neuen Mann zu, das Land mit seinen etwa 4,6 Millionen Einwohnern in Richtung Demokratie zu führen. Von den Menschen auf der Straße, die noch in großer Armut leben, ist zu hören: Bidsina habe doch schon alles und stopfe sich bestimmt nicht wie „Mischa“ die Taschen voll.

Das Saakaschwili-Lager, das ebenfalls viele westliche PR-Agenturen beschäftigte, präsentierte sich dagegen von Anfang an defensiv. Mit dem Festhalten an der Macht habe Saakaschwili seiner Partei Vereinte Nationale Bewegung geschadet, sagt ein Mitglied. Umfragewerte vor der Wahl zeigten, dass die Partei ohne Saakaschwili besser abgeschnitten hätte. Umstritten bleibt auch dessen Entscheidung, das Parlament nach Kutaissi rund 220 Kilometer westlich der Hauptstadt zu verlegen. Das markante Gebäude im Zentrum von Tiflis, ein historisches Denkmal und immer wieder Schauplatz von Revolutionen, sei verkauft, heißt es in Saakaschwilis Parteikreisen. Aber an wen und für wie viel Geld, das sei nicht öffentlich bekannt. „Dieses Mal hat bei uns das Geld die Demokratie besiegt. Um die Demokratie zu retten, ist es nötig, dass die Vereinte Nationale Bewegung nicht demoralisiert wird oder zerfällt“, kommentiert der Politologe Gia Nodia. Die Partei müsse als Oppositionskraft alle Register für eine Kontrolle des Oligarchen ziehen. „Die Gefahr eines Autoritarismus von Iwanischwili ist ziemlich ernst“, meint Nodia.