Bei der Wahl eines Präsidenten am Samstag in Nigeria wird es knapp: Der Amtsinhaber Jonathan und sein Rivale Buhari liegen in Umfragen gleichauf.

Yola - Yola, die schmuddelige Hauptstadt des Bundesstaats Adamawa, hat sich in Schale geworfen. Am Straßenrand wehen Fähnchen der regierenden Volksdemokratischen Partei (PDP), an jeder Laterne hängt ein Poster mit dem unverwechselbaren Hut und Antlitz ihres Vorsitzenden, Goodluck Jonathan. Selbst die Gehsteige sind mit Plakaten gepflastert, und alle 100 Meter wacht ein Polizist. Als die Autokolonne des Präsidenten auftaucht, ist das Aufkommen des Sicherheitspersonals auf mehrere Hundert Soldaten angeschwollen. „Der ganze Aufwand nur für einen Mann“, schüttelt ein Passant den Kopf, „während jeden Tag Dutzende von Nigerianern umgebracht werden.“

 

Wahlkampf im bevölkerungsreichsten Staat Afrikas: Kurz vor der historischen Abstimmung sind die Temperaturen in dem ohnehin schwül-heißen Land dem Siedepunkt nahe. 170 Millionen Nigerianer, von denen gut 80 Millionen wahlberechtigt sind, fiebern einer in der über 50-jährigen Geschichte der westafrikanischen Nation beispiellos hart umkämpften Entscheidung entgegen. Laut Umfragen liegen Jonathan und sein Herausforderer Muhammadu Buhari Kopf an Kopf. Nicht nur die Töne der Wahlkämpfer werden schriller. Wiederholt schon wurde Jonathans Konvoi mit Steinen beworfen, während auf einer Kundgebung des Oppositionschefs Buhari Schüsse zu hören waren. Befürchtet wird, dass nach der Auszählung der am Samstag abgegebenen Wahlzettel die Stimmung umkippt: Im erdölreichen Niger-Delta kündigen militante Anhänger Jonathans bereits den „Krieg“ an, sollte der amtierende Präsident das Rennen verlieren.

Das Wahlgeschenk beträgt fünf Dollar

Ein Wahlgeschenk von fünf Dollar

Auf einem staubigen Platz im Zentrum Yolas haben sich zahlreiche Würdenträger und ein paar Tausend Repräsentanten des Fußvolks eingefunden. Viele von ihnen wurden mit einem kleinen Honorar von 1000 Naira (fünf US-Dollar) angelockt. Dennoch antworten viele von ihnen auf die von Parteifunktionären angestimmten Sprechchöre, wer in Zukunft das Land regieren soll, trotzig mit „Buhari“ statt „Jonathan“. Jonathan Goodluck ist besorgt. Erstmals seit dem Ende der Militärdiktatur vor 16 Jahren könnte die mächtige PDP die Wahlen verlieren: In dem von einem System der Patronage beherrschten Staat kommt das einem Erdbeben gleich. Bisher hatte die vom Regieren zu legendärem Wohlstand gelangte Partei mühelos jede Abstimmung gewonnen. Der durch einen Zufall, den Tod seines Vorgängers, an die Macht gekommene Jonathan schaffte es jedoch binnen weniger Jahre, die PDP in derart schwere Bedrängnis zu bringen, dass ihr selbst ihr Reichtum wenig nützt. Zahlreiche prominente Mitglieder kehrten der Partei den Rücken, darunter Ex-Präsident Olusegun Obasanjo, der Jonathan in einem offenen Brief einen verheerenden Regierungsstil vorwarf. Zuvor hatte der Präsident den Zentralbankchef Lamido Sanusi gefeuert, nachdem er die Korruption kritisiert hatte. Auch die versprochene Reform des korrupten Erdölsektors blieb liegen.

Was Jonathan und seiner Partei allerdings das Rückgrat zu brechen droht, ist die Unfähigkeit, mit der die Armee gegen die Boko-Haram-Sekte vorging: Die Extremisten kontrollierten schließlich ein Gebiet von der Größe Belgiens im Norden des Landes. Dem Vorwurf, dass der Südnigerianer Jonathan die Sekte mit Absicht wüten ließ, weil sie den Norden stabilisiere, widmet Jonathan in Yola fast die gesamte Wahlrede: Wie man einem Landesvater nur eine solche Böswilligkeit unterstellen könne, fragt er eher beleidigt als überzeugend.

Der Opposition geht das Geld aus

Dass er den Konflikt mit den Extremisten wirklich für seine Zwecke ausnützt, zeigte sich vor sechs Wochen, als auf Druck des Präsidenten die Wahlen von Mitte Februar auf Ende März verschoben wurden. Auf diese Weise könne er seinem Popularitätsschwund doch noch mit Erfolgen im Kampf gegen die Sekte begegnen, so das Kalkül des PDP-Chefs. Ein langer Wahlkampf macht überdies der oppositionellen Partei All Progressive Congress (APC) zu schaffen, die über weniger Geld verfügt als die PDP. Als Muhammadu Buhari eine Woche nach Jonathan die Provinzhauptstadt Yola besucht, gibt es weder Flaggen noch Poster, dafür drängeln sich Zigtausende von Anhängern des Ex-Generals auf den Straßen – der Muslim hat hier Heimvorteil. Dem als willensstark bis stur beschriebenen Offizier trauen viele zu, mit der Sekte kurzen Prozess zu machen: Als Militärdiktator hatte er Mitte der 80er Jahre eine Invasionstruppe aus dem Nachbarland Tschad in die Flucht geschlagen.

Der Gegenkandidat gilt als militärischer Haudegen

Seine Vergangenheit kommt dem militärischen Haudegen aber nicht nur gelegen. Viele Nigerianer fragen sich, ob der starre Ex-Diktator demokratische Regeln verinnerlicht hat oder ob er – wie damals – wieder Kritiker einsperren lassen wird. Seinen Ruf als Korruptionsbekämpfer würde das nicht aufwiegen können. Buhari wird auch Mühe haben, sein aus unterschiedlichen Kräften bestehendes Bündnis zusammenzuhalten: Die APC sei wie eine „Kirche, der neben katholischen Priestern, Pfarrern und Pfingstpredigern auch Okkultisten und sogar Zauberer angehören“, kommentiert ein Kolumnist in Lagos. Landeskenner sehen in der Lage des Landes und dem Urnengang ein „perfektes Rezept“ für ein Desaster: Manche sehen einen Militärputsch voraus. Je knapper das Wahlergebnis ausfällt, desto größer die Gefahr, dass es zum Ausbruch von Gewalt kommt.