Der Albtraum der peruanischen Mittelschicht wurde wahr: Die Entscheidung fällt zwischen dem linksnationalistischen Ollanta Humala und der rechtsautoritären Keiko Fujimori.

Lima - Seit zehn Jahren wird Peru von Kräften der demokratischen Mitte regiert, die dem verarmten Land mit einer liberalen Wirtschaftspolitik starke Wachstumsraten von sechs bis acht Prozent pro Jahr bescherten. Nun aber sind die Kandidaten dieser politischen Strömung in der ersten Runde der Präsidentenwahl am Sonntag von zwei eher extremen Politikern abgehängt worden. In der Stichwahl müssen sich die Peruaner am 5. Juni wohl oder übel zwischen dem Linksnationalisten Ollanta Humala und der rechtskonservativen Keiko Fujimori, Tochter des wegen Mordes in 25 Fällen und Korruption zu 25 Jahren Gefängnis verurteilten früheren Präsidenten Alberto Fujimori, entscheiden.

 

Wie konnte es zu diesem Duell der politischen Außenseiter kommen, das der peruanische Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa schon zuvor als Wahl „zwischen Aids und Krebs im Endstadium“ bezeichnete? Das bürgerliche Lager ist vor allem selber Schuld. Statt sich auf einen Kandidaten zu einigen, gingen gleich drei gleich starke Kandidaten ins Rennen: der frühere Präsident Alejandro Toledo, der ehemalige Ministerpräsident Pablo Kuczynski und der Ex-Bürgermeister der Hauptstadt Lima, Luis Castañeda. Zusammen wären sie rein rechnerisch auf etwa 45 Prozent gekommen, weit mehr als Humala und Fujimori. Einzeln aber landeten sie im Aus.

Wähler in armen Bevölkerungsschichten

Humala und Fujimori werden im Wahlkampf vor der Stichwahl am 5. Juni diese Wähler mit moderaten Tönen umgarnen müssen, wenn sie sich im Kampf um das höchste Staatsamt durchsetzen wollen. Und beide Kandidaten, die ihre Wähler bisher in den armen Bevölkerungsschichten fanden, äußerten sich denn auch schon am Wahlabend versöhnlich und kompromissbereit. Ollanta versprach vor jubelnden Anhängern zwar eine „Umwandlung“ des Landes. Er werde im Falle seiner Wahl eine Regierung bilden, die dem Volk verpflichtet ist, sei aber auch bereit, „viele Konzessionen zu machen“.

Auch die erst 35-jährige Fujimori versuchte die Bedenken der bürgerlichen Mitte gegen ihr politisches Lager zu zerstreuen. „Wir werden unseren Aufgaben mit absolutem Respekt für die Demokratie, die Pressefreiheit, die Menschenrechte und den Rechtsstaat nachgehen“, sagte sie. Ihre Anhänger riefen jedoch unterdessen in Sprechchören: „Chino, Chino, Chino“ in Anspielung auf ihren japanischstämmigen Vater. Der Begriff Chino wird in Peru oft für alle Asiaten verwendet.

Wolf im Schafspelz

Politische Beobachter in Lima gingen jedoch davon aus, dass es weder Humala noch Fujimori leicht fallen werde, Wähler der politischen Mitte anzulocken. Humala halten seine Gegner vor, er sei ein Wolf im Schafspelz, der dem in Peru unbeliebten venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez nacheifern werde. Dass er sich im Wahlkampf relativ gemäßigt geäußert habe, sei nur Wahltaktik gewesen. Er werde die Wirtschaft mit sozialistischen Experimenten ruinieren und die Demokratie aushöhlen.

Fujimori hingegen scheint in erster Linie von dem Ziel getrieben, ihren Vater zu rehabilitieren. Sie verspricht die nahtlose Fortsetzung seiner Politik und meint damit die Inflationsbekämpfung, die Ankurbelung der Wirtschaft und den rücksichtslosen Kampf gegen linke Rebellen in den 1990er Jahren. Dass er Todesschwadronen gegen Widersacher einsetzte und das Land mit einem Spitzel- und Korruptionssystem überzog, ist vielen Peruanern aber noch in schmerzlicher Erinnerung.

Beide Kandidaten werden sich deshalb Richtung politischer Mitte bewegen müssen, wenn sie die Stichwahl gewinnen wollen. Wie sie nach einem Sieg dann regieren, steht auf einem ganz anderen Blatt.