Auch nach dem zweiten Wahlgang scheint eine Regierungsbildung in Spanien immer noch nicht möglich zu sein.

Korrespondenten: Martin Dahms (mda)

Madrid - Spanien hat seit gut sieben Monaten keine gewählte Regierung mehr und wird, so wie es im Moment aussieht, auch so bald keine neue haben. Zwei Mal, im Dezember und im Juni, haben die Spanier schon gewählt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie ein drittes Mal zu den Urnen gehen – möglicherweise im November – ist diese Woche wieder gestiegen.

 

Eine dritte Wahl vermeiden

Am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag hat sich König Felipe mit den Vorsitzenden der im spanischen Parlament vertretenen Parteien getroffen, um mit ihnen die Möglichkeiten für eine Regierungsbildung zu sondieren. Am Donnerstagabend gab er seinem letzten Gesprächspartner, dem amtierenden konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy, den Auftrag, die Aufstellung einer neuen Regierung zu versuchen. Rajoy sagte zu. Trotzdem ist nichts gelöst. Rajoy versprach nach dem Treffen mit dem König, „dritte Wahlen zu vermeiden, den Willen der Spanier zu respektieren und eine Regierung zu schaffen, die die Spanier brauchen“. Doch dann fügte er hinzu: „Das hängt nicht allein von mir ab.“

Rajoys Volkspartei (PP) ging aus den Wahlen im Juni mit 33 Prozent der Stimmen als Siegerin hervor, doch mit diesem Ergebnis braucht er die Unterstützung weiterer Parteien. Und keine will ihm ihr Ja-Wort geben. Die liberalen Ciudadanos, mit 13 Prozent der Stimmen Viertplatzierte bei den Wahlen im Juni, haben sich in den vergangenen Wochen dazu durchgerungen, den Weg für Rajoy durch ihre Stimmenthaltung frei zu machen. Doch mindestens eine weitere Partei müsste dem Beispiel von Ciudadanos folgen.

Hoffen auf Minderheitsregierung

Die Sozialisten (PSOE), die dafür in Frage kämen, wollen nicht. Die Linkspartei Podemos schon gar nicht. Und die kleineren Regionalparteien aus Katalonien und dem Baskenland auch nicht. Rajoy hat sich mit dem Gedanken abgefunden, dass er für eine mögliche Koalitionsregierung keine Partner findet, hofft aber noch darauf, dass es für eine PP-Minderheitsregierung reichen könnte. Er will in den kommenden Wochen noch einmal seine ganze Überzeugungskraft einsetzen, um sich in Gesprächen mit Ciudadanos und PSOE deren Duldung zu sichern.

Was die Sozialisten angeht, ist das mutmaßlich vergebliche Liebesmüh. „Die PSOE wird nicht das unterstützen, was sie ändern möchte“, sagte deren Chef Pedro Sánchez am Donnerstagnachmittag. Ein alternatives Projekt hat Sánchez auch nicht in der Tasche. Für eine linke Mehrheit gemeinsam mit Podemos reicht es nicht, und ein denkbarer Dreibund gemeinsam mit Ciudadanos scheiterte schon nach den Dezemberwahlen. Die Lage ist heute so verfahren wie vor einem halben Jahr. Rajoy hat offengelassen, ob er sich dem Parlament als Kandidat für das Amt des Regierungschefs zur Verfügung stellt, sollten die Gespräche vor allem mit den Sozialisten ergebnislos bleiben. Wahrscheinlich muss er aber: Die spanische Verfassung schreibt dem Politiker, der vom König mit der Regierungsbildung beauftragt wurde, vor, sich dem Parlament zur Wahl zu stellen. Nur die Fristen dafür sind offen.

Das Defizit in den Griff bekommen

Wenn Rajoy will, kann er die jetzige Hängepartie so weit in die Länge ziehen, wie es ihm beliebt. Rajoy selbst erinnert daran, dass Spanien spätestens bis zum 15. Oktober einige wichtige Entscheidungen getroffen haben muss. Der Haushaltsentwurf für das kommende Jahr steht an, und Brüssel will bis zu jenem 15. Oktober einen Wirtschaftsplan aus Madrid sehen. Spanien ist gerade mit viel gutem Willen der EU-Kommission einer Buße für sein hartnäckig überzogenes Haushaltsdefizit entgangen.

Die spanischen Wirtschaftsdaten können sich zeigen lassen, das Inlandsprodukt wächst um rund drei Prozent und die Arbeitslosenrate ist gerade auf 20 Prozent gefallen, den niedrigsten Wert seit knapp sechs Jahren. Doch seinen Haushalt bekommt Spanien nicht in den Griff; im Mai übertraf das Defizit den Wert des gleichen Vorjahresmonats. Hinzu kommt die katalanische Herausforderung: Das Regionalparlament in Barcelona hat diese Woche gerade beschlossen, seine einseitigen Abspaltungspläne weiter voranzutreiben. Es gäbe was zu regieren in Madrid.