Erst gab es in Konstanz keine Bewerber für Horst Franks Nachfolge, jetzt sind es 13. Im Feld skurriler Aspiranten sind ein Mann und zwei Frauen die Favoriten.

Konstanz - Der Narrenpräsident durfte nicht fehlen. Andreas Kaltenbach, der Zunftmeister der Blätzlebuebe-Zunft, will Oberbürgermeister in Konstanz werden. Kaltenbach hält seine 1934 gegründete Zunft mit mittelalterlichen Wurzeln für den „FC Bayern unter den Narrengesellschaften“. Zwar hat der 54-jährige AOK-Mitarbeiter keinerlei politische oder Verwaltungserfahrung, jedoch weiß er wie ein Narrentreffen organisiert wird. Deshalb fühlt er sich berufen, in seiner Heimatstadt als „Integrationsfigur wahrgenommen zu werden“.

 

Kaltenbach ist noch lange nicht die skurrilste Figur, die sich den OB-Job in der mit 85 000 Einwohnern größten Stadt am Bodensee zutraut. Nach ihm hatte als letzter in der illustren Schar noch Benno Buchczyk aus Singen, ein Mitglied der Piratenpartei, seinen Hut in den Ring geworfen. Ein Wahlprogramm hat er noch nicht, auch weiß er nicht, ob er von den Piraten überhaupt unterstützt wird. Aber egal. Damit sind die „Wilden 13“ voll. Bei der Wahl am 1. Juli ringen nämlich drei Frauen und zehn Männer um das Amt – so viele Kandidaten, wie die Räuberbande in Michael Endes Kinderbuch Mitglieder hat.

Wie sich im Buch herausstellt, sind es nur zwölf Räuber. Und es kann durchaus auch in der größten Stadt am Bodensee auch passieren, dass sich auch das bunte Kandidatenfeld noch im Laufe des Wahlkampfes lichten wird. Bis heute finden sich im Feld der Bewerber ein 38-jähriger Langzeitstudent, ein Esoteriker, der mit nacktem Oberkörper und mit rechtslastigen Ansichten die Lokalzeitungsleser erfreut, ebenso wie ein Unternehmer, Rechtsanwälte und eine Geschäftsfrau.

Profis mit Verwaltungserfahrung in der Minderheit

In der Minderheit vertreten sind Kommunalpolitiker und Verwaltungsprofis, die sich zutrauen in der Nachfolge von Horst Frank (Grüne) den Konzern zu führen, zu dem die Stadt Konstanz mit ihren Stadtwerken, dem Klinikum, der Spitalstiftung sowie den Entsorgungsbetrieben und den gut 3000 Mitarbeitern inzwischen angewachsen ist. Der 63-jährige Frank geht nach 16 Jahren, was zwei Amtszeiten gleichkommt, in den Ruhestand. Ihm war es als erstem Grünen gelungen, den OB-Sessel in einer größeren Stadt zu erobern.

Lange Zeit hatte es so ausgesehen, als ob niemand für eine Kandidatur zu finden wäre. Doch nach Ostern schwappte eine geradezu inflationäre Flut an Kandidaten in das mittelalterliche Rathaus. Die formalen Anforderungen für eine Kandidatur nach der Gemeindeordnung sind nicht allzu hoch. Man muss nur hundert Stimmbürger finden, die für einen unterschreiben, schon ist die Bewerbung geritzt.

Zwei Frauen und ein Mann gelten als Favoriten

Die Wetten sehen ein Dreigestirn aus zwei Frauen und einem Mann vorn. Sabine Seeliger (43), Partnerin des früheren Grünen-Landtagsabgeordneten Günther Schäfer, soll die Universitätsstadt für die Ökopartei halten. Die SPD bietet Sven Zylla (44) auf, Büroleiter von Manuela Schwesig, der bundesweit bekannten Sozialministerin aus Mecklenburg-Vorpommern. Der gebürtige Gailinger verbindet Verwaltungs- mit politischer Führungserfahrung. Sabine Reiser gilt als ähnlich aussichtsreich. Die 40-jährige CDU-Frau aus dem Regierungspräsidium Stuttgart managte schon vor zehn Jahren als Dezernentin im Landratsamt des Bodenseekreises souverän die schwierige Situation nach dem Flugzeugabsturz von Überlingen. Sie unterlag dann beim Kampf um den Landratsposten ihrem parteiinternen Konkurrenten Lothar Wölfle.

In Konstanz hat Reiser zwar nicht die volle Unterstützung der örtlichen CDU-Granden, doch das ist ihr augenscheinlich egal. Wie auch die anderen Favoriten umgarnt sie die Bürger mit explizit grünen Themen wie Nachhaltigkeit, Carsharing und ökologische Siedlungswirtschaft. Als ambitionierter Außenseiter macht schließlich der lokale Autor und Unternehmensberater Uli Burchardt auf sich aufmerksam. Er scheint ein Liebling des Lokalblatts zu werden. Die lobende Besprechung seines Buchs über Managementerfahrungen beim Luxus-Versandhauses „Manufactum“ war der Zeitung eine ganze Seite wert.

Neun Bürgermeister seit 1945

Bürgermeister kennt man in Konstanz erst seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts. Vom Mittelalter bis zur Neuzeit waren Gericht und Rat in der Hand eines Vogts. Von 1810 bis 1945 haben dann acht Rathauschefs die größte Stadt am Bodensee regiert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg führten neun Männer die Geschicke der Stadt. Zunächst ein Dreiergespann und danach leitete Fritz Arnold (SPD) 1946 kommissarisch die Amtsgeschäfte. Von 1946 bis 1957 amtierte Franz Knapp (CDU), von 1957 bis 1959 Alfred Diesbach (SPD), von 1959 bis 1980 der wegen seiner NS-Verstrickungen umstrittene Bruno Helmle (CDU) und von 1980 bis 1996 Horst Eickmeyer (Freie Wähler). 1996 wurde Horst Frank als erster Grüner OB einer Stadt. wom