Der türkische Präsident Erdogan wird am Sonntag in Karlsruhe vor über 10 000 Landsleuten sprechen. Kritiker werfen ihm vor, er mache damit Wahlkampf – und breche damit die Verfassung.

Stuttgart - Die Überraschung über den hohen Besuch in Karlsruhe ist groß. Knapp einen Monat vor der der Parlamentswahl kommt der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan am Sonntag nach Karlsruhe. In der dm-Arena will er vor über 10 000 Auslandstürken sprechen. Mit seinem Besuch erntet der Staatschef allerdings herbe Kritik. Als Präsident darf er keinen Wahlkampf für eine Partei machen, so steht es zumindest in der türkischen Verfassung. Genau das werfen ihm seine politischen Gegner aber vor. Denn seit Freitag dürfen die im Ausland lebenden Türken ihre Stimme für die Parlamentswahl abgeben, die in der Türkei am 7. Juni stattfinden wird.

 

Erdogan werbe in Karlsruhe für seine islamisch-konservative Regierungspartei AKP, so der Vorwurf. Alevitische Verbände haben zu Protesten aufgerufen. Auftritte Erdogans in Deutschland wie im Präsidentenwahlkampf im Mai vor einem Jahr in Köln waren von Zehntausenden Gegendemonstranten begleitet worden. Eine Sprecherin des türkischen Konsulats in Karlsruhe dementierte, dass es sich um einen Wahlkampfauftritt handle. Erdogan komme anlässlich des Jugend- und Sporttages, den die Türkei am 19. Mai feiert.

Die deutschen Behörden wurden nach Angaben der Deutschen Presseagentur vom Erdogan-Besuch ziemlich überrumpelt. Im Messezentrum soll die Miet-Anfrage für die riesige dm-Arena erst Montag gekommen sein. Die Stadt Rheinstetten, auf deren Gemarkung die Karlsruher Messehallen stehen, haben erst Dienstag davon erfahren. „Wir waren überrascht“, sagte eine Sprecherin. Veranstalter ist laut Konsulat ein Geschäftsmann aus Berlin, der alle Erdogan-Veranstaltungen in Deutschland organisiere.

Türken mit Wohnsitz außerhalb der Türkei stellen bei der Wahl im Juni rund fünf Prozent der 56,6 Millionen Wahlberechtigten. Insgesamt sind nach Angaben der Wahlbehörde knapp 2,9 Millionen Auslandstürken zur Wahl aufgerufen, fast die Hälfte davon in Deutschland.

Auslandstürken durften bei der Präsidentenwahl im vergangenen August erstmals außerhalb der Türkei wählen. Zuvor war nur die Stimmabgabe an Grenzübergängen und Flughäfen möglich. Allerdings fiel die Wahlbeteiligung auch wegen des komplizierten Verfahrens zur Stimmabgabe sehr gering aus. In Deutschland lag sie nur knapp über acht Prozent. Das Verfahren zur Stimmabgabe wurde vereinfacht, außerdem kann über einen längeren Zeitraum gewählt werden als 2014.