Auf dem Landesparteitag in Karlsruhe halten die beiden Spitzenkandidaten höchst unterschiedliche Reden. Die Sympathie des Publikums ist dabei sehr klar verteilt.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Karlsruhe - Für die AfD-Mitglieder im Land ist das vergangene halbe Jahr nicht ohne Anstrengung gewesen. Parteitage und Nominierungsversammlungen gab es mehr als genug, Misstöne und Kampfabstimmungen inklusive. Kehl im November, Nürtingen im Januar, Sulz im März. Und nun also Karlsruhe. Keine entscheidenden Wahlen für wichtige Posten in der Partei stehen an, es ist der Auftakt zum Bundestagswahlkampf, der die Mitglieder zusammenschweißen soll. An den Tischen wird gelöst geplaudert. Es geht nicht um Sinn und Unsinn von Ausschlussverfahren gegenüber unliebsamen Mitgliedern, es geht um Urlaubserlebnisse, Grillrezepte und Einkaufsschnäppchen.

 

Jörg Meuthen, einer der beiden Bundessprecher der Partei, ist gar nicht da. Er sitzt in Korfu fest. Ein Flugzeugdefekt, an statt wie geplant um 11.05 Uhr auf dem Stuttgarter Flughafen zu landen steht nun 22.25 Uhr auf der Anzeigentafel. Alexander Gauland, einer der beiden Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl kommt etwas später, also dürfen der Karlsruher Gemeinderat Paul Schmidt und Marc Jongen vom Landesvorstand zuerst an das Rednerpult. Es gibt routiniertes Selbstlob und dezente Schmäh für den politischen Gegner, und verhalten braven Applaus.

Begeisterungsstürme halten sich bei Weidel in Grenzen

Sehr viel heftiger wird auch bei Alice Weidel nicht geklatscht. Die Frontfrau der Partei für den Wahlkampf mag politische Talente haben, einen Saal zu begeistern gehört nicht dazu. Wenn Weidel von der „wichtigsten Wahl seit Jahrzehnten“ spricht und davon, dass die „Rettung unserer Nation“ maßgeblich von einem guten AfD-Ergebnis abhänge, dann klingt das schon sehr bemüht. Wenn Martin Schulz als „Kanzlerkandidatendarsteller mit Fremdschämpotenzial“ bezeichnet wird und Kanzlerin Angela Merkel konsequent als „Mutti“ tituliert wird, dann halten sich die Begeisterungsstürme in sehr engen Grenzen. Pflichtschuldig arbeitet sich Weidel an den Parteien ab, die mit der AfD um Stimmanteile ringen. Dass sie den Linken vorwirft, sie wollten Deutschland „in ein zweites Venezuela verwandeln“ löst noch so etwas wie Heiterkeit aus. Zielvorgaben nach der Art, dass kleine Leute wieder von ihrer Hände Arbeit leben sollen können und Rentner von ihrer Rente bleiben ohne große Wirkung. Begeisterung bei einem Wahlkampfauftakt sieht anders aus.

Doch dann kommt Alexander Gauland. Der redet mehr als doppelt so lange wie seine Co-Spitzenkandidatin, dafür ist sein Repertoire an Themen nicht einmal halb so groß. Doch Gauland weiß, wie er die „lieben Freunde“ in der Halle mitzunehmen weiß. Nach einer kleinen Verbeugung vor Helmut Kohl ( „ich verneige mich vor einem großen Staatsmann“), nach dem Seitenhieb, dass Merkel eine unwürdige Nachfolgerin des am Freitag verstorbenen Altkanzlers sei, kennt Gauland fast nur ein Thema: die Armutseinwanderung, und in n deren Folge Terror, Kriminalität und die Ausnutzung der Sozialsysteme. Nicht mal die Anschläge in Deutschland hätten die Bundesregierung dazu gebracht zu sagen, Schluss mit Masseneinwanderung, sagt Gauland. „Die AfD will sich an diesen Terror nicht gewöhnen“. In der Halle stehen die ersten zum Applaus.

Gauland lobt Trump

Gauland versichert den Freunden in Ungarn und Tschechien an ihrer Seite zu stehen, wenn die EU ihnen „Flüchtlinge aufdrängen will“ um sie in eine „multikulturelle Gesellschaft zu zwingen“. Gauland lobt Trump, weil der US-Präsident „versucht umzusetzen, was er versprochen hat, zum Beispiel weniger muslimische Einwanderung“. Und Gauland schäumt gegen Wolfgang Schäuble und dessen „volksverräterische Politik“. Auf vielen Tellern im Saal werden Schnitzel und Pommes inzwischen kalt, weil die rund 160 anwesenden Landesparteimitglieder immer wieder kräftig in die Hände klatschen.

Gauland schimpft, das Geld, welches in die Flüchtlingspolitik fließe „verloren“ sei und erklärt, dass Holländer und Schotten wegen einer gemeinsamen Wertegemeinschaft vielleicht eine doppelte Staatsbürgerschaft zusammen mit der deutschen haben könnten, Türken aber nie. Das will der Saal in Karlsruhe hören. Und deswegen gibt es auch reichlich Zustimmung für die Forderung, die „moralische Kraft“ aufzubringen, Flüchtlinge wieder zurück zu schicken. Wer ohne Papiere komme werde aufgenommen, aber ohne Papiere soll nicht abgeschoben werden können, „ein Irrsinn“, sagt Gauland. Wer den Weg vorwärts gegangen sei, durch Afrika, durch Libyen, über das Mittelmeer, der müsse den Weg auch wieder rückwärts gehen können. „Rein kommt man immer, raus kommt man nimmer“, reimt Gauland. Aus dem Publikum kommen Bravo-Rufe.