Grünen-Kandidatin trifft grünen Parteifreund: Dafür, dass das Treffen beim Gerlinger Grünen-Ortsverband nicht nur grün-kuschelig geriet, sorgten ein paar Fragesteller aus dem Publikum. Kurz kam der Verkehrsminister ins Schwimmen.

Gerlingen - Kurz vor dem Ende des Bundestagswahlkampfs durfte sich Ingrid Hönlinger noch einmal ganz entspannt zurücklehnen: Aus der Befragten war einen Abend lang eine Fragerin geworden. Der Grünen-Ortsverein Gerlingen hatte die Kandidatin des Wahlkreises Ludwigsburg am Freitag zum Gespräch mit dem Parteifreund und baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann eingeladen. Hönlinger nutzte die Gelegenheit, um in die Rolle der Moderatorin zu schlüpfen. Dass der Platz auf dem Podium für Hermann nicht zum heißen Stuhl werden würde, schien damit von vornherein klar. Dafür, dass das Treffen mit „dem Winne“ trotzdem nicht nur grün-kuschelig geriet, sorgten ein paar Fragesteller aus dem Publikum.

 

Gerlinger Wetterkapriolen

So landeten die Redner in der Aula der Pestalozzischule am späteren Abend sogar beim üblicherweise unverdächtigen Thema Wetter. Doch was ist in diesen Zeiten noch unverdächtig? Ganz offensichtlich von dem Gefühl angetrieben, im Saal eine – im übertragenen Sinne – Bombe platzen zu lassen, meldete sich ein politisch hochmotivierter Rentner zu Wort, um den Minister auf einen Skandal hinzuweisen: Nämlich den, dass uns die Meteorologen systematisch belügen.

Die vorgeblichen Wetterexperten von ARD und ZDF haben zum Beispiel im Herbst 2016 im Landesdurchschnitt etwa 20 Schlechtwettertage ausgemacht. Doch diese Zahl stimmt nun gar nicht mit den akribischen Wetteraufzeichnungen des Rentners überein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass „der schöne Himmel über dem Strohgäu an 60 Tagen trüb gewesen ist“. Nach eigener Aussage analysiert der Mann die Gerlinger Wetterkapriolen schon lange und er hat auch herausgefunden, was dazu führt: Die Kondensstreifen der Flugzeuge bilden Schleierwolken, aber das verschweigen die Medien. Er möchte den Flugverkehr verbieten lassen.

Der leicht verdutzte Verkehrsminister hatte etwas Mühe, aus dieser Nummer wieder herauszukommen. Hatte er sich doch zuvor ausführlich darüber auslassen dürfen, wer seiner Ansicht nach der Hauptschuldige an der Klima- und insbesondere der Stickoxid- und Feinstaubmisere Stuttgarts ist: die Autoindustrie, die dreckige Autos produziert hat. Hermann klärte deshalb den Rentner darüber auf, dass nur fünf Prozent der Luftschadstoffe auf den Ausstoß von Flugzeugen zurückzuführen seien, während 20 Prozent auf das Konto des Straßenverkehrs gingen.

„Schlapper Plan“

Schließlich sprang ihm Hönlinger bei, indem sie das Gespräch auf die Deutsche Bahn lenkte. Und hier hatte der grüne Minister wieder festen Boden unter den Füßen: Der Zustand des Schienenverkehrs sei eine einzige Enttäuschung. Vor allem der Güterverkehr sei 20 Jahre sträflich vernachlässigt worden. „Jeder Spediteur weiß genau, wo seine Lkw stehen, die Bahn weiß nicht, wo sich ihre Züge befinden.“ In Sachen Straßenverkehr gab sich Hermann bescheiden: „Ich bin ja nur der Verkehrsminister.“ Soll heißen: Er kann zwar gute Vorschläge machen, die Entscheidungen aber treffen andere. Auf die Frage, ob er in Stuttgart „einen schwarzen Luftreinhalteplan mit grünem Anstrich“ vorgelegt habe, räumte er ein, der Plan sei „viel zu schlapp“ gewesen. Doch nicht einmal so hätten ihn der Stuttgarter Gemeinderat und der Regionalverband abgesegnet.

War es Dialektik oder ein Beispiel grüner Farbenlehre? Als Hermann über die Grüne Plakette redete, betonte er, diese sei „ein Fahrverbot für alle, die die Vorgaben nicht erfüllen“. Als es jedoch um die angestrebte Blaue Plakette ging, kritisierte er, dass Kanzlerin Angela Merkel „im TV-Duett“ mit Martin Schulz von einem Fahrverbot gesprochen habe: „Das ist kein Verbot, das ist eine Zulassung für alle, die die Vorgaben erfüllen.“