Björn Höcke eröffnet Wahlkampf der AfD-Nationalkonservativen im Land – und schwört die Partei auf einen „knallharten Anti-Establishment-Wahlkampf“ ein.

Tuttlingen - Zuletzt, nach dem Eklat von Dresden, hatte er das ganz große Rampenlicht gemieden. Am 17. Januar hatte der Björn Höcke, AfD-Fraktionschef im thüringischen Landtag, bei einer Rede das Berliner Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“ und die Erinnerungskultur seit 1945 als „dämliche Bewältigungspolitik“ bezeichnet. Ein Orkan der Entrüstung brach los. Selbst für viele in der AfD war Höcke zu weit gegangen – der Bundesvorstand sprach sich mehrheitlich für ein Parteiausschlussverfahren aus.

 

Im beschaulichen Tuttlingen indes ist von alldem nichts zu spüren. Björn Höcke ist wieder da. In der von starken Polizeikräften abgeschirmten Angerhalle im Ortsteil Möhringen hat der Thüringer mit Hang zum Völkisch-Nationalen am Freitagabend ein Heimspiel. Während draußen vor der Halle rund 200 Demonstranten lautstark gegen seinen Auftritt trommeln, wird der 45-Jährige drinnen von gut 250 AfD-Anhängern mit einem warmen Applaus empfangen.

Besuch des Thüringers seit Monaten geplant

Auf Einladung des AfD-Kreisverbands Rottweil/Tuttlingen tritt Höcke an der Donau auf. Dessen Sprecher Emil Sänze erklärt zur Begrüßung, man wolle als Kreisverband im Bundestagswahlkampf die ganze Bandbreite der Partei aufzeigen. Neben nationalkonservativen AfD-Politikern wie Höcke werde man auch Vertreter des liberalkonservativen Flügels einladen, verspricht der AfD-Fraktionsvize im Stuttgarter Landtag.

Sänze tritt dem Eindruck entgegen, der Höcke-Auftritt sei die Gegenveranstaltung zum offiziellen Wahlkampfauftakt der AfD-Baden-Württemberg am Donnerstagabend in Stuttgart. Der Besuch des Thüringers sei bereits seit Monaten geplant gewesen, die terminliche Nähe reiner Zufall.

Starker Applaus für Höcke

Nach Sänze darf die AfD-Landtagsabgeordnete Christina Baum gegen „linke Meinungsterroristen“ und „Gender-Ideologen“ wettern. Auch der Direktkandidat des örtlichen Kreisverbands für die Bundestagswahl, Reimond Hoffmann, ein Ex-Mitarbeiter Höckes in Erfurt, kommt mit giftigen Attacken gegen die Regierenden in Stuttgart und Berlin zu Wort. Dann, endlich, darf auch der Gast aus Thüringen sprechen.

Höcke, Galionsfigur des nationalkonservativen Flügels in der AfD, kommt gleich zur Sache. „Die innere Sicherheit verfällt vor unseren Augen“, ruft er in den Saal. Die Bürger schauten sich auf Rolltreppen um, machten einen Bogen um „Jungmännerzusammenrottungen“. Verantwortlich sei dafür Kanzlerin Angela Merkel, sie habe „die Türen unseres Landes für Spitzbuben und Glücksritter aus aller Welt weit geöffnet“. Wenn die CDU im Wahlkampf nun mehr Sicherheit verspreche, werde „der Bock zum Gärtner gemacht“. Dafür gibt es starken Applaus.

Zurück im Rampenlicht

Auch der SPD-Kanzlerkandidat bekommt sein Fett weg. Martin Schulzhabe in vielen Jahren als Spitzengenosse mit dafür gesorgt, dass die Ungleichheit im Land „so groß ist wie nie“. Die SPD stehe auf der Seite der Reichen und Mächtigen, mache Politik für „die zehn Prozent Globalisierungsgewinner“. Er wolle, dass die AfD Politik mache „für die 90 Prozent Globalisierungsverlierer“, erklärt der Thüringer.

Kurz nach 21 Uhr schließt Höcke. Er schwört die AfD auf einen „knallharten Anti-Establishment-Wahlkampf“ ein. Es dürfe „keine Annäherung an die Funktionärseliten der Altparteien“ geben. Nun ist der Applaus frenetisch. Der Thüringer ist zurück im Rampenlicht. Größere Bühnen dürften im Wahlkampf auf ihn warten.