Bei der Bundestagswahl am 24. September kann im Wahlkreis Esslingen wohl nur der direkt gewählte Kandidat nach Berlin fahren. Alles andere wäre eine Sensation.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Der Platzhirsch heißt eindeutig Markus Grübel. Seit 2002 sitzt der ehemalige Notar für die Esslinger CDU im Deutschen Bundestag. Bei seiner letzten Wiederwahl vor vier Jahren konnte Grübel in seiner Heimatstadt mit 51,3 Prozent der Erststimmen die absolute Mehrheit auf sich vereinen. Damit erzielte er persönlich ein deutlich besseres Ergebnis als seine CDU, die im Wahlkreis 261–Esslingen auf 44,8 Prozent der Zweitstimmen kam.

 

Mittlerweile darf sich der 57-Jährige sogar Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium nennen. Selbst wenn er sich wegen dieser zeitraubenden Arbeit aus dem Gemeinderat zurückgezogen hat und deshalb in Esslingen nicht mehr ganz so präsent wie früher ist, dürfte es angesichts der politischen Grundstimmung in der Bundesrepublik keinen Zweifel daran geben, dass Grübel auch nach dem 24. September seine Wohnung in Berlin weiter wird nutzen können.

Grübel will die absolute Mehrheit der Erststimmen

Der CDU-Kandidat wird – diese Prognose lässt sich ohne großes Risiko stellen – der einzige Bewerber aus dem Wahlkreis Esslingen sein, der es in den Bundestag schafft. Denn so aussichtslos es für die Mitbewerber ist, Grübel mit dem Erststimmenergebnis zu schlagen, so aussichtslos sind auch die Listenplätze, auf die die anderen Esslinger Bewerber von ihren jeweiligen Parteien gewählt worden sind.

Die 34-jährige Regina Rapp etwa findet sich auf Position 33 der SPD-Landesliste, Stephanie Reinhold von den Grünen hat es immerhin auf einen allerdings ebenso aussichtslosen Platz 25 in ihrer Partei geschafft. Der FDP-Bewerber Sven Kobbelt gibt sich mit Platz 37, dem letzten Platz, den seine Partei überhaupt vergeben hat, zufrieden. Und der Linke Martin Auerbach hat vollkommen auf einen Listenplatz verzichtet. Auch Stephan Köthe, der für die AfD kandidiert, gehört mit Platz 17 garantiert zu den Verlierern am Wahlabend.

Lange vorbei sind die glorreichen SPD-Zeiten

Lange vorbei sind die Zeiten, als die Esslinger SPD mit Volker Hauff und Siegmar Moosdorf Direktkandidaten in den Deutschen Bundestag entsendet hat. Karin Roth konnte dann später zumindest noch über die Landesliste nach Berlin reisen.

Den Grund für die Situation, die für den Wahlabend zumindest in Esslingen eine gewisse Portion Langeweile verspricht, findet man direkt in der Nachbarschaft – im Wahlkreis Nürtingen. Denn dort treten gleich drei politische Schwergewichte gegeneinander an: Michael Hennrich, seit 2002 direkt gewählter Bundestagsabgeordneter der CDU, der grüne Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel und der ehemalige SPD-Wirtschaftsminister Nils Schmid, der nun mit einem Posten im Bundestag versorgt wird und auf dem sicheren Landeslistenplatz sechs steht. Damit ist das Kontingent an sicheren Listenplätzen für den Landkreis aufgebraucht.

Der Paradiesvogel unter den Bewerbern ist der Kandidat der Linken, Martin Auerbach. Der 41-jährige Jugend- und Heimerzieher in einer diakonischen Jugendhilfeeinrichtung ist kein braver Parteisoldat, sondern hat im Wahlkampf mit geradezu visionären Bemerkungen auf sich aufmerksam gemacht. Die Frage, ob seine Partei für die Legalisierung von Drogen sei, konnte er nicht wirklich beantworten. Stattdessen gab er zu bedenken, dass sich die Menschen doch lieber Gedanken darüber machen sollten, wie man eine Welt schaffen könne, in der man leben könne, ohne Drogen oder Alkohol zu brauchen.

Einen für sie persönlich aussichtslosen Wahlkampf muss auch Regina Rapp führen. Die 34-jährige SPD-Kandidatin wohnt in Esslingen und arbeitet an der Universität Stuttgart. Dort verantwortet sie als Geschäftsführerin mehrere Personalentwicklungsprogramme. Seit 2014 gehört sie dem Vorstand des Esslinger Ortsvereins an und ist zudem die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen in Esslingen.

Das Wahlkampfschicksal teilt Rapp mit Stephanie Reinhold. Die 41-jährige Grüne lebt in Ostfildern und ist stellvertretende Bezirksvorsteherin in Stuttgart.