Ein 56-Jähriger soll schon im Jahr 2010 eine damals minderjährige Waiblingerin siebenmal vergewaltigt haben. Die Beweislast gegen ihn wiegt schwer, doch ein Geständnis will er nicht ablegen.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Die Zeit, in der die Taten passiert sein sollen, liegt schon etliche Jahre zurück. Und doch neigt die Vorsitzende Richterin am Landgericht Stuttgart dazu, den Aussagen einer heute 27-Jährigen zu glauben. Diese beschuldigt einen Freund ihrer Familie, sie in den Sommerferien des Jahres 2000 siebenmal vergewaltigt zu haben – ein weiteres Mal ist es laut Anklage beim Versuch geblieben.

 

Abwesenheit der Mutter ausgenutzt

Der Beschuldigte kam damals fast täglich ins Haus der Familie in Waiblingen, weil er dort Gartenarbeiten erledigte und mit der Mutter des Opfers eng befreundet war. Deren Abwesenheit soll er ausgenutzt haben, um ihre damals zwölf- beziehungsweise 13-jährige Tochter zu vergewaltigen. Nach dem ersten Missbrauch soll der Angeklagte sie mit dem Tode bedroht und ihr Geld zugesteckt haben. Doch dabei blieb es nicht: Laut Anklageschrift zwang er sie immer wieder zum Sex – mal im Bett ihres Bruders oder im Keller, dann wieder auf Autofahrten, zu denen er das geistig beeinträchtigte Mädchen unter Vorwänden überredet hatte. Als er sich dem Opfer einmal im Badezimmer näherte und jemand an der Tür klopfte, ließ er von ihr ab. Bis heute hat die Geschädigte mit den Folgen zu kämpfen. Sie leidet an einer Essstörung, deren Wurzeln laut einer Ärztin in dem Missbrauch liegen könnten.

Die Vorsitzende Richterin Jasmin Neher-Klein sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass die junge Frau sich die Taten nur ausgedacht hat. Denn sie hatte sich schon kurz nach den besagten Ferien einer Vertrauenslehrerin anvertraut. „Sie hat ihr erzählt, ein Freund der Familie hätte sie angefasst und böse Dinge mit ihr gemacht“, so Neher-Klein. Es spräche viel dafür, dass es sich bei dem erwähnten Freund um den Angeklagten handele. „Mit der Lehrerin gibt es eine neutrale Zeugin, es steht also nicht nur Aussage gegen Aussage“, sagte die Juristin zum Angeklagten.

Der Vater durfte nichts erfahren

Auch innerhalb der Familie war der mutmaßliche Missbrauch ein Thema. Gegenüber ihren Geschwistern machte das Opfer Andeutungen, die aber nicht allzu ernst genommen wurden. Zudem durfte offenbar der Familienvater nichts von den Vorfällen wissen. Die Richterin hält es nämlich für möglich, dass der Angeklagte eine Affäre mit der Mutter des Opfers hatte. Doch eines Tages endete das Verhältnis der beiden. „Mach dir keine Sorgen, es passiert nicht mehr, ich habe ihn rausgeschmissen“, soll die Mutter laut dem Vernehmungsprotokoll der Geschwister gesagt haben.

Nachdem die Richterin dem Beschuldigten angesichts der erdrückenden Last von Indizien dazu geraten hatte, die Flucht nach vorne anzutreten und ein Geständnis abzulegen, hielt er kurz Rücksprache mit seinem Anwalt. Doch er blieb dabei: Er will im Verfahren nichts sagen, nicht einmal zu seinen Personalien. „Nach dieser Aktenlage wird das Urteil wohl kein Freispruch für Sie sein“, meinte die Richterin Neher-Klein. Am nächsten Verhandlungstag wird dem Opfer seine Aussage durch ein Vernehmungsvideo erleichtert. Insgesamt sind fünf Prozesstage anberaumt.