Der Landestrachtenverband und die Trachtenjugend sorgen in der Stadt für Aufsehen – sie kommen wieder. Am ersten Maiwochenende zeigen die Tänzer ihr Können auf einer Freilichtbühne und vor dem Rathaus.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Waiblingen - Sonntagmittag, eine Familie schlendert ganz gemütlich in Richtung Bürgerzentrum. „Wer sind die denn?“, fragt ein Vater seine erwachsene Tochter und deutet mit einem leichten Kopfnicken in Richtung der Männer und Frauen, die alle Trachten tragen. „Keine Ahnung“, antwortet die junge Dame, „vielleicht der Heimatverein.“ Fast richtig. Der Heimatverein war am Abend vorher zu Gast in der guten Stube der Stadt Waiblingen. Am Sonntag gegen 12 Uhr bevölkern dagegen mehrere Dutzend Mitglieder des Landesverbands der Heimat- und Trachtenverbände und der Trachtenjugend das Areal rund um das Bürgerzentrum. Plötzlich saust ein Biker vorbei, auch er ist erstaunt und ruft während des Treppelns: „Hey Jungs, was ist da los?“ – „Wir tanzen hier“, schreit ihm eine der Frauen im Dirndl hinterher.

 

Während des ganzen Wochenendes erregen knapp hundert Trachtenträger in den Straßen und Gassen Waiblingens immer wieder Aufsehen. Regelmäßig würden sie von neugierigen Passanten angesprochen, erzählt der Vorsitzende der Trachtenjugend, Reinhold Lampater aus Oberschwaben, am Rande eines Tanz-Workshops. Bei dieser Veranstaltung in einem Nebenraum des Bürgerzentrums üben gut zwei Dutzend Kinder und Jugendliche. Es ist die Generalprobe für ihren großen Auftritt beim Baden-Württemberg-Tag , der im Rahmen der Heimattage in genau vier Wochen in Waiblingen über die Bühne geht.

Die Tänzer tragen Trachten vom Hochschwarzwald und vom Kaiserstuhl, aus Tettnang und aus Wangen – manche indes nur Jeans und T-Shirt, es ist nämlich ordentlich warm und stickig im Proberaum. Der Vortänzer ruft: „Hacke, Spitze, Wechselschritt“ und „die Damen zur Kreismitte“. Der Schweiß rinnt. Am Wochenende 3. und 4. Mai zeigen die Tänzer ihr Können unter freiem Himmel: Das wird vermutlich wesentlich angenehmer.

Warum tragen erwachsene Männer und Frauen, Kinder und Teenager heutzutage Trachten von anno dazumal? Solche und ähnliche Fragen bekommen die Vereinsmitglieder allerorten zu hören. „Ganz einfach“, antwortet Lampater. „Wir wollen das Brauchtum und die Kultur bewahren.“ Er spricht von der guten alten Zeit, sagt indes gleich im nächsten Satz: Vieles sei früher gar nicht soooo gut gewesen. An den Trachten habe früher jeder auf den ersten Blick erkennen können, um wen es sich bei dem Träger handelt. Viele Knöpfe zum Beispiel standen für Reichtum. Die weiße Haube einer jungen Frau hat allen Männer signalisiert: „Hallo, ich bin noch zu haben.“ Verheiratete trugen schwarze Hauben.

Heute indes sehen die Trachtenträger das nicht mehr so eng. Ein armer Schlucker mit vielen Knöpfen? Eine Ledige mit schwarzer Kopfbedeckung? Das, sagt Lampater, sei alles kein Problem mehr.