Im Foyer des Landratsamts in Waiblingen erinnert die Ausstellung „Krieg, Mangel und Feldpost“ an die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, den Ersten Weltkrieg. Zu sehen sind lokale Exponate: vergilbte Fotos, alte Postkarten, Pickelhauben.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Waiblingen - Wer das Foyer des Landratsamts in Waiblingen betritt, der begibt sich während der nächsten drei Wochen auf eine Reise in eine grauenvolle Vergangenheit – auch wenn auf den meisten gezeigten Fotos lächelnde Kameraden in Uniform und andere (gestellte) Szenen zu sehen sind. Wer ein bisschen genauer hinschaut, dem dürften Gedanken wie dieser durch den Kopf gehen: „Zum Glück leben wir in besseren Zeiten.“

 

Die Ausstellung mit dem Titel „Krieg, Mangel, Feldpost“ beleuchtet die Jahre 1914 bis 1918, die viele Historiker als die Urkatastrophe des 20.  Jahrhunderts bezeichnen, aus lokaler Perspektive. Der Kreisarchivar Andreas Okonnek hat Exponate zum Ersten Weltkrieg zusammengetragen, die zum aller größten Teil aus jenen Städten und Gemeinden stammen, die heute zum Rems-Murr-Kreis gehören. Den Grundstock der Schau bildet das Familienalbum von Hanne Rieger. Die Backnangerin hatte sich beim Kreisarchiv gemeldet und angeboten, die alten Feldpostkarten aus dem Nachlass ihres Heslacher Großvaters Eugen Zimmermann und ihrer Backnanger Schwiegermutter Luise Schippert zur Verfügung zu stellen. In der Ausstellung begibt sich der Besucher also zwangsläufig auch in die Geschichte von Frau Riegers Vorfahren, die exemplarisch steht für ungezählte Familien in Deutschland und in Europa.

Auf vergilbten Fotos posieren stolze Soldaten

Das Lachen der Menschen auf den Fotos aus dem ersten Kriegsjahr 1914 dürfte noch echt gewesen sein, noch glaubten die Soldaten und ihre Angehörigen den Versprechungen der Reichsführung, dass Deutschland so weit überlegen sei, dass der Krieg maximal ein paar Monte dauern und bald siegreich beendet sein werde. Auf den alten, leicht vergilbten Schwarz-Weiß-Bildern posieren stolze, bewaffnete Soldaten aus den Oberämtern Schorndorf, Backnang und Waiblingen. Die Schnappschüsse von Hanne Riegers Großvater Eugen Zimmermann zeigen den Alltag im Schützengraben – freilich ohne Gefechtsszenen –, den Besuch des Württembergischen Königs an der Westfront und das Weihnachtsfest 1916, einem Jahr, in dem den Männern das Lachen vermutlich längst vergangen war.

In einer Vitrine sind Mützen, ein Pickelhaube und ein Stahlhelm zu sehen, Kavalleriestiefel, eine Granate ohne Zünder und weitere Ausrüstungsgegenstände. Viele Exponate sind dem Landkreis von anderen Museen zur Verfügung gestellt worden, etwa vom neuen Haus der Stadtgeschichte in Waiblingen und vom Museum am Widumhof in Urbach. Der Kreisarchivar hat beeindruckende Zahlen zusammengetragen, etwa aus Backnang und aus Schornbach: In der Murrstadt sind während des Ersten Weltkrieg mindestens 323 gefallene Soldaten gezählt worden, was rund vier Prozent der damaligen Bevölkerungszahl entsprach. Und von den 88 eingezogenen Männern aus Schornbach – das damals rund 900 Einwohner hatte – sind nur 42 zurück gekommen. Zu den Toten kamen Tausende Kriegsversehrte. Okonnek sagt, kaum eine Familie sei verschont geblieben.

„Es wäre doch bald Zeit zum Aufhören“

Tote an der Front und Mangelwirtschaft daheim im Reich – zu sehen sind auch Nahrungsmittelkarten aus Backnang und aus Waiblingen sowie Steckrüben, die nach der Kartoffelmissernte 1916 zum Grundnahrungsmittel wurden. Selbst Kaffeeersatz wurde aus den Rüben hergestellt.

Die Feldpostkarten zeigen wehende Fahnen, Kriegsgerät und fesche Offiziere, die Frauen bezirzen. Die Post von der Front wurde zwar zensiert, doch mitunter ging den Kontrolleuren die herbe Kritik einiger Soldaten durch die Lappen. Auf einer Karte an Luise Schippert von 1915 ist zu lesen: „Es wäre doch bald Zeit zum Aufhören und Leut’ hat es gewiss auch schon genug gekostet.“ Ein anderer Soldat flüchtete sich in Sarkasmus und ließ die Verwandtschaft zu einem Foto vom Schützengraben wissen: „Umstehend seht ihr meine Villa, in der ich meinen Sommerfrische genieße.“

Drei Ausstellungen zum Ersten Weltkrieg

Waiblingen
Die Ausstellung „Rems und Murr im Ersten Weltkrieg – Krieg, Mangel und Feldpost“ wird bis einschließlich Freitag, 10. Oktober, im Foyer des Landratsamts in Waiblingen gezeigt, montags bis freitags von 8.30 Uhr bis 12 Uhr sowie zusätzlich donnerstags von 13.30 Uhr bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. Bei der Eröffnung am Mittwochabend sagte der Landrat Johannes Fuchs, aus dem Ersten Weltkrieg seien glücklicherweise viele Lehren gezogen worden. Ohne die Schrecken dieser Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts wären der europäische Einigungsprozess und Frieden im Mitteleuropa kaum denkbar. Frieden und Freiheit seien aber „keine selbstverständlichen Güter“. Deutschland sei anno 1914 ein aufblühender Staat mit expandierender Wirtschaft gewesen. Wissenschaft und Technik hätten gewaltige Fortschritte gemacht, die Kultur blühte. Kaum jemand habe damals mit einem Krieg gerechnet, „schon gar nicht mit einem mehrjährigen Massenschlachten in ganz Europa“. Fuchs in seinem Grußwort weiter: „Beschäftigen wir uns also mit dem Krieg – um daraus zu lernen.“

Schornbach
Die Ausstellung „Schornbach und Buhlbronn im Ersten Weltkrieg. Feldpostbriefe 1914 bis 1918“ wird noch bis zum 3. Oktober in der Galerie in der Mühle, Friedrich-Glück-Straße 20 in Schornbach, gezeigt, freitags von 18 bis 20 Uhr, samstags und sonntags von 15 bis 18 Uhr.

Welzheim
Die Sonderausstellung „Krieg und Heimatfront - Erster Weltkrieg und Welzheim“ im Museum Welzheim im Gebäude Pfarrstraße 8 ist noch bis zum 18. Januar nächsten Jahres zu sehen, sonntags von 11 bis 18 Uhr.