Drei Landräte fordern in einem Brief an den Landesverkehrminister ein Mitspracherecht bei der Planung des Schienenverkehrs auf der Rems- und der Murrbahn sowie die baldige Erneuerung der dort eingesetzten veralterten Züge.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Waiblingen - Der Treffpunkt ist natürlich nicht zufällig gewählt. Auf Gleis 1 des Waiblinger Bahnhofs rollt ächzend ein Regionalexpress aus Schwäbisch Hall-Hessental ein. Johannes Fuchs wird ihn später als ein typisches Beispiel jenes „prähistorischen Zugmaterials“ bezeichnen, das zurzeit auf der Murr- und Remsbahn in Richtung der Landeshauptstadt unterwegs sei. In einer gemeinsamen Aktion mit seinen Landratskollegen Gerhard Bauer (Kreis Schwäbisch Hall) und Klaus Pavel (Ostalbkreis) hat Fuchs gestern – einmal mehr – auf die Missstände auf den beiden Schienenstrecken hingewiesen.

 

Pavel: Keine Vorbereitungen getroffen?

Zuvor haben die Behördenchefs dem Landesverkehrsminister Winfried Hermann ein gemeinsames Positionspapier zugesandt. Darin fordert das Trio unter anderem ein Mitspracherecht bei der bald anstehenden Ausschreibung für den Betrieb der beiden regionalen Verkehrsverbindungen und eine „belastbare Aussage“ darüber, wann die alten Waggons endlich durch moderne ersetzt werden.

Der Hintergrund für den Vorstoß ist der im Jahr 2016 auslaufende „große Verkehrsvertrag“ zwischen dem Land und der Deutschen Bahn, der auch die Leistungen auf der Rems- und Murrbahn umfasst. Es dränge sich der Eindruck auf, sagt der Ostalbkreis-Landrat Klaus Pavel, dass bisher keinerlei Vorbereitungen getroffen worden seien, wie es danach weitergehe – zumindest nicht, was die beiden heimischen Bahnstrecken betreffe. Deren europaweite Ausschreibung sei zudem immer wieder verschoben worden. Die Zeit dränge, schließlich sei nicht nur die Ausschreibung selbst ein gut anderthalb Jahre andauerndes Verfahren. Man müsse zudem berücksichtigen, dass nach der Auftragsvergabe wiederum mindestens drei bis vier Jahre vergingen, bis die bestellten Züge von den jeweiligen Herstellern ausgeliefert werden könnten.

Die „kommunale Familie“ sei in das ganze Verfahren nicht eingebunden, obwohl dies seitens des Verkehrsministers fest versprochen worden sei, sagt der Schwäbisch Haller Landrat Gerhard Bauer. Auch habe das Ministerium keine Einblicke in Fahrplanentwürfe gewährt, obwohl sich die Landkreise um die Anschluss-Busverbindungen kümmern müssten. Ein Termin im Herbst sei kurzfristig abgesagt und seither kein neuer anberaumt worden.

Fuchs: Züge aus Nachkriegs- und Wirtschaftswunderzeit

Ein anderer Kritikpunkt ist bei den betroffenen Landkreisen schon ein Dauerbrenner: Die auf den beiden Bahnstrecken verkehrenden Züge hätten im Schnitt bereits 44 Jahre auf dem Buckel, sagt der Landrat des Rems-Murr-Kreises, Johannes Fuchs. Als Modelleisenbahner wisse er, dass jene „Silberlinge“, die nach dem mittlerweile vierten äußerlichen Redesign rot gestrichen worden seien, bei Märklin in der „Epoche 3“ geführt würden. „Das ist die Nachkriegs- und Wirtschaftswunderzeit.“ Für die echten Züge bedeute dies heute unter anderem klemmende Türen, Reizbelüftung, Materialzerfall und einen mehr als beschwerlichen Ein- und Ausstieg. Entlang der Remsbahn planen die beteiligten Kommunen für das Jahr 2019 eine interkommunale Gartenschau. Man müsse sich schämen, wie die Menschen dann aller Voraussicht nach zu den Veranstaltungsorten befördert würden, sagt Fuchs.

Dabei werde ihm in inoffiziellen Gesprächen mit Bahnexperten immer wieder bestätigt, dass die Rems- und die Murrschiene die finanziellen Melkkühe des regionalen Schienenverkehrs seien. Das Geld sei abgeschöpft, aber nie dort reinvestiert worden, wo es verdient würde, klagt Fuchs. Damit wolle man sich nicht mehr abfinden.

Wenn jetzt, wie es sich abzeichne, Übergangsverträge mit der Bahn abgeschlossen würden, weil sich die Termine nicht mehr halten ließen, müsse die Modernisierung der Wagen berücksichtigt werden. Und in Sachen Neuvergabe dürfe eines nicht passieren: „Ein Verfahren nach Art eines Windhundrennens: die ersten Strecken, die in die Ausschreibung kommen, sahnen ab, der Rest muss mit dem auskommen, was übrig bleibt“, sagte Fuchs.

Vertrag mit Bahn läuft in anderthalb Jahren aus

Neuvergabe
Im Jahr 2016 läuft der Vertrag aus, mit dem das Land Baden-Württemberg die Deutsche Bahn mit dem Betrieb des Schienenverkehrs beauftragt hat. Eine Strecke von insgesamt rund 40 Millionen Kilometern soll neu ausgeschrieben und vergeben werden.

Veraltet
Auf der Rems- und der Murrbahn werden täglich rund 16 000 Fahrgäste befördert. Die Strecken zählen zu den profitabelsten im gesamten baden-württembergischen Netz. Dennoch werden dort Züge eingesetzt, die laut Angaben des Waiblinger Landratsamts ein Durchschnittsalter von 44 Jahren haben.