Von Eurythmie bis Epochenunterricht: Waldorfschulen machen einiges anders als normale Schulen. Es gibt keine Noten, sondern ausführliche schriftliche Beurteilungen, und auch kein Sitzenbleiben.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - „Nullkommanull“ – mit diesem Wort räumt Beate Kötter-Hahn mit einem Vorurteil auf. Inhaltlich spiele die Anthroposophie im Unterricht keine Rolle, betont die Lehrerin an der Waldorfschule Uhlandshöhe. Anders gesagt: das pädagogische Konzept basiert zwar auf den Vorstellungen Rudolf Steiners über die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, doch missioniert wird nicht.

 

Die Einrichtung an der Haußmannstraße ist etwas Besonderes in der Schullandschaft, ist sie doch die erste von Rudolf Steiner gegründete Waldorfschule überhaupt. Heute gibt es mehr als 1000 Waldorfschulen weltweit, vier davon in Stuttgart. Auch wenn diese unterschiedliche Akzente setzen, stimmen sie in den großen Linien überein. Dazu gehört, dass die Schüler in den ersten acht Jahren einen Klassenlehrer haben, der den Hauptunterricht in Deutsch, Mathematik, Geschichte und in den naturwissenschaftlichen Fächern übernimmt. Bereits von der ersten Klasse an haben die Schüler zwei Fremdsprachen: entweder Englisch und Französisch oder Englisch und Russisch. Es gibt keine Noten, sondern ausführliche schriftliche Beurteilungen, und auch kein Sitzenbleiben.

„Bei Sprachen benötigt man über das Jahr hinaus Kontinuität“

Hinzu kommt der für die Waldorfschulen typische Epochenunterricht. Dabei wird über mehrere Wochen hinweg ein Stoffgebiet schwerpunktmäßig behandelt. Die Schüler haben zum Beispiel drei Wochen lang jeden Tag zwei Stunden Geschichte am Stück. „Das ist eine Unterrichtsform, mit der man sehr effektiv arbeiten kann“, meint Albrecht Schad. Er ist Mitglied im Schulführungskreis der Waldorfschule Uhlandshöhe. Aktuell behandele er zum Beispiel in Klasse 10 im Fach Geografie die großen Windsysteme und Meeresströme im Epochenunterricht. Auch in Mathematik gebe es Epochenunterricht, so Schad. Allerdings hätten die Schüler hier darüber hinaus jede Woche zusätzliche Fachstunden. Ähnlich sei es bei den Sprachen. „Hier benötigt man über das Jahr hinaus Kontinuität“, erklärt der Lehrer.

Zu den weiteren Besonderheiten der Waldorfschulen gehört, dass von Anfang an großer Wert auf musischen, künstlerischen und handwerklichen Unterricht gelegt wird: wie etwa Handarbeit in den ersten vier Klassen, Gartenbau von Klasse 6 an oder Steinhauen in Klasse 10. „Wir sprechen nicht nur den Kopf an, der Mensch besteht aus mehr“, erklärt Beate Kötter-Hahn.

Es gibt in der Regel deutlich größere Klassen

Ein Alleinstellungsmerkmal für die Waldorfpädagogik stellt das Fach Eurythmie dar. Die Eurythmie weist jedem Buchstaben eine Bewegung zu. So lernt jeder Schüler, das Alphabet, beziehungsweise Texte, in Bewegung umzusetzen.

Worauf sich Eltern an einer Waldorfschule gefasst machen müssen, sind die – in der Regel – deutlich größeren Klassen. Bis zu 36 Schüler sind es zum Beispiel auf der Uhlandshöhe. Für den Fachunterricht würden die Klassen in der Regel in kleinere Gruppen unterteilt, so Schad.

Im Idealfall dauert der Schulbesuch mindestens zwölf Jahre, auch wenn am Ende der Hauptschulabschluss steht. Waldorfschüler können alle Abschlüsse machen. In Klasse 13 bereiten sie sich auf das Abitur vor. Die Abiturquote liege zwischen 60 und 70 Prozent, so Beate Kötter-Hahn.