Früher dominierte allein die Technik die Produktivität von Bauunternehmen. Heute verdient man sein Geld mit einer möglichst optimalen Organisation.

Als vor 50 Jahren von Professor Gerhard Drees an der Universität Stuttgart das Institut für Baubetriebslehre gegründet wurde, 'um die Lehre und Forschung in allen Bereichen der Baubetriebswirtschaft fortzuentwickeln und die dabei gewonnenen Erkenntnisse zu einem Bestandteil des Bauingenieurstudiums zu machen', waren in der Bauwirtschaft noch ganz andere Themen gefragt. 'Es war eine Zeit, in der Technik die absolut dominante und zentrale Rolle gespielt hat, in dem, wie Produktivität entstanden ist', erinnert sich Professor Thomas Bauer, Präsident vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie anlässlich des Jubiläums des Instituts.

 

Wie rasant sich die Bautechnik in den zurückliegenden fünf Jahrzehnten veränderte, zeigt Bauer an folgendem Beispiel auf: Um einen 120 Meter tiefen Schacht auszuheben, brauchte man kurz nach dem Zweiten Weltkrieg drei Monate. Doch schon Anfang der 1950er Jahre verkürzte sich die Bauzeit durch neue Techniken auf zwei Wochen. 'Die größte Kunst eines guten Bauunternehmers bestand damals darin, den Kunden zu überzeugen, dass das am Schluss genau gleich viel kostet', weiß Präsident Bauer noch. Heute stehe da eine tonnenschwere Maschine, die erledige die gleiche Arbeit in vier Stunden. Deshalb werde dieser Produktivitätsgewinn in Zukunft auch viel geringer sein, glaubt Bauer, da es solche Dimensionen bei den technologischen Entwicklungen wie in den letzten 50 Jahren nicht mehr geben werde.

Produktivität durch Mitarbeitermotivation

Damit habe sich auch die Aufgabe der Führungskraft in der Bauwirtschaft verändert. Vor 50 Jahren sei es egal gewesen, ob das Bauunternehmen kaufmännisch perfekt organisiert war. 'Das Wichtigste war, immer die neueste technische Idee zu haben, wie Zeit eingespart werden konnte.' Heute sei das komplett anders. Zwar definiere sich ein Bauunternehmen natürlich auch heute noch über die Technik. 'Geld verdient man nicht mehr mit den ganz großen technologischen Sprüngen, sondern mit dem Baubetrieb, indem man das Unternehmen bis ins kleinste Detail durchorganisiert und optimiert', sagt Bauer. Heutzutage habe eine schlecht organisierte Baustellenlogistik deutlich größere Auswirkungen auf den Erlös als vor 50 Jahren. Diese Verluste hole man auch nicht mehr mit Technik rein. Zum Handwerkszeug der Bauindustrie gehörten nicht nur betriebswirtschaftliche Instrumente wie Arbeitsvorbereitung, Baustellen-Dokumentationen und Projektplanung. 'Produktivität entsteht mittlerweile auch durch Mitarbeitermotivation', weiß Bauer.

Trotzdem gebe es aber Defizite. Die Bauwirtschaft habe sich viel zu lange nur mit der Tätigkeit auf der Baustelle beschäftigt und nie mit den Märkten. 'Warum tun wir uns so schwer damit, Geld zu verdienen, während andere Branchen zweistellige Renditen einfahren', fragt Bauer und gibt gleich die Antwort. Die Bauwirtschaft habe nie begriffen, dass sie kein Produkt verkauft, sondern nur die Fähigkeit, ein Produkt, sprich ein Gebäude, herzustellen. Das sei eigentlich eine typische Dienstleistung. Weil das so ist, seien der Bauwirtschaft viele betriebswirtschaftliche Methoden wie zum Beispiel das Marketing aus der Hand genommen.

Das Bauen wird sich noch einmal komplett verändern

Und das in einem unglaublich harten Wettbewerb, beklagt Bauer. Deshalb sei auch die Arbeit des Instituts für Baubetriebslehre so wichtig. 'Wenn es das nicht geben würde, müsste man es glatt erfinden, da die Baubetriebslehre zu einem ganz zentralen Thema für die Bauwirtschaft geworden ist. Auch wenn das viele noch nicht erkennen wollen.' In den zurückliegenden 50 Jahren hätten Professor Gerhard Drees und der heutige Ordinarius Professor Fritz Berner eine 'unglaubliche Leistung' vollbracht, lobte Thomas Bauer. Das Bauen habe in den vergangenen Jahren vollkommen neue Dimensionen aufgetan, deren Herausforderungen auch am Institut für Baubetriebslehre in Stuttgart erforscht werden müssten. Thomas Bauer nannte dabei die Probleme in Zusammenhang mit Großprojekten wie dem Flughafen Berlin, Stuttgart 21 oder der Hamburger Elbphilharmonie, die 'völlig aus dem Ruder gelaufen' seien.

Das habe meistens nichts mit der Technik zu tun. Wie ein Flughafen gebaut werden muss, wüssten die Baufirmen schon. Was nicht funktioniere, sei das Ineinandergreifen der Themen. Und das mache heute die großen Probleme, glaubt Bauer. Der Bauprozess sieht heute ganz anders aus als vor 50 Jahren. Bauer ist sich sicher, dass die Entwicklung hier aber erst am Anfang steht. In den nächsten Jahren wird sich der Bauprozess noch einmal ganz massiv verändern. 'Wir werden das Bauen komplett neu verstehen und organisieren lernen müssen', prognostiziert er. Dazu werde auch gehören, den Bürger in die Prozesse stärker miteinzubeziehen.