Andy Warhols Campbell-Suppendose und Roy Lichtensteins Truthahn: Die Staatsgalerie holt für „The Great Graphic Boom“ ihre Bestände amerikanischer Grafik aus dem Depot.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Erfolg ist doch planbar. Andy Warhol zumindest wusste, wie er auf sich aufmerksam machen konnte: mit Promis. Er verarbeitete Fotos von Marilyn Monroe, Jackie Kennedy und Elizabeth Taylor – und der Glanz der Damen strahlte auf ihn ab. Der Pop-Art-Künstler hatte zwar ein Faible für schnöde Konsumprodukte, Suppen oder Waschpulver, seine Porträts aber wählte er sorgsam aus, ohne Glamourfaktor kam man nicht aufs Bild. Die Strategie ist aufgegangen, seine Serien haben sich fest ins kulturelle Gedächtnis eingebrannt, zumal Warhol nicht in einer Auflage von bescheidenen zwanzig, dreißig Exemplaren druckte, sondern gleich 200 oder 300 Stück.

 

Auch die Staatsgalerie Stuttgart besitzt einige dieser Ikonen: Die „Marilyn Monroe“-Serie, auf der Warhol das Porträt der Schauspielerin in verschiedenen Farbkontrasten durchdeklinierte, oder auch Varianten von „Jackie“. Ende der 60er Jahre kaufte die Staatsgalerie in großem Stil Drucke von Warhol, Robert Rauschenberger & Co. – was von der Offenheit für zeitgenössische Kunst zeugt, aber auch vom enormen Einfluss, den Amerika auf das Nachkriegsdeutschland hatte. Nun hat man die Drucke aus dem Depot geholt für die Sonderausstellung „The Great Graphic Boom“, die mit dem National Museum Oslo entstanden ist und amerikanische Druckgrafik von 1960 bis 1990 zeigt.

Pinselstrich im Punktraster

Schon Kaiser Maximilian nutzte den Druck, Albrecht Dürers Stiche trugen seinen Ruhm in die Welt hinaus. Die Grafik hat viele Hochphasen erlebt, bei den Pop-Art-Künstlern aber hatte sie einen besonderen Stellenwert, weil sie sich dem Trivialen widmen wollten, Massenprodukten und Konsumartikeln, Zeitungsbildern und Comics – wie Roy Lichtenstein, der Annoncen vergrößerte oder einen schlichten Pinselstrich im Punktraster auf die Fläche brachte.

Die Ausstellung, von Corinna Höper kuratiert, stellt je eine Handvoll Werke von 22 Künstlerinnen und Künstlern vor, die inhaltlich wenig verbindet, außer eben der Tatsache, dass sie in Amerika tätig waren und Drucktechniken nutzten, Lithografie oder Siebdruck. Der Rundgang beginnt bei der Pop-Art und Papiertüten, die Roy Lichtenstein mit einem Truthahn und Warhol mit der Campbell-Suppendose bedruckt hat. Zugegeben, an Warhols Motiven hat man sich ein wenig satt gesehen, so stattlich die Bestände der Staatsgalerie, letztlich besitzen viele Museen Ähnliches.

Buchstabenspiele wie „WAR-RAW“

Es folgen Blitzlichter auf Jasper Johns, der Buchstabenreihen in wässrigem Grau druckte, und Bruce Naumans Buchstabenspiele wie „WAR-RAW“ (1971). Ed Ruscha ist mit einer seiner visionären Tankstellen vertreten. Den „Hollywood“-Schriftzug hat er 1971 übrigens mit einem Diätdrink gedruckt – als Anspielung auf den Schönheitskult der Traumfabrik. Aber auch Louise Bourgeois, die 1938 von Paris nach New York zog, wird unter die amerikanischen Grafiker subsumiert. Ihre Kaltnadelradierung „Saint Sébastienne“ sprengt zeitlich etwas den Rahmen der Schau, das 1992 entstandene Blatt zeigt einen nackten Frauenkörper, der von Pfeilen traktiert wird – Bourgeois’ Antwort auf den Heiligen Sebastian.

Auch wenn die Aneinanderreihung der Künstlerpositionen etwas monoton wirkt, kann man interessante, auch weniger bekannte Positionen entdecken wie Helen Frankenthaler, die mit einzelnen, ausgesägten Holzstücken sinnliche Farbflächen druckte, die vom filigranen Muster des Holzes strukturiert werden. Die Kanadierin Agnes Martin, die 1972 zur Documenta in Kassel eingeladen war, nutzte die Deutschlandreise, um bei Luitpold Domberger in Bonlanden Siebdrucke zu erstellen – von Hand gezeichnete Linien und Raster. Konsequent und schlicht.

Die Ausstellung ist bis zum 5. November dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr sowie donnerstags bis 20 Uhr geöffnet. Der Katalog ist im Sandsteinverlag erschienen und kostet 24,90 Euro.