In Südafrika setzt sich eine Initiative erfolgreich für das friedliche Zusammenleben von Mensch und Tier ein. Ein Haibeobachter spricht gegenüber dem Weißen Hai nicht von Angst, sondern von Respekt. Die Art gilt weltweit als gefährdet.

 

Stuttgart - Monwabisi Sikiya ist ein kräftiger Mann – und ein erfahrener dazu. Seit Jahren ist er im südafrikanischen Muizenberg Beach, einem Vorort von Kapstadt, bei der Strandaufsicht beschäftigt und gehört auch zu den Mitbegründern des dortigen Haibeobachtungsprogramms. Im Jahr 2011 hat er einem leichtsinnigen Schwimmer das Leben gerettet. Der hatte sich trotz Haialarm ins Wasser gewagt – und war prompt von einem Weißen Hai attackiert worden. Sikiya war rechtzeitig zur Stelle und leistete erfolgreich erste Hilfe, so dass der Mann mit einem abgebissenen Bein davonkam.

Weltweit hat der Weiße Hai bei vielen Menschen einen schlechten Ruf als großer, aggressiver Räuber, der auch dem Menschen gefährlich wird. Dabei wird seine Länge oft überschätzt: Meist sind sie zwischen drei und sechs Meter lang, länger als 7,13 Meter war bisher kein Exemplar. Auf die Frage, ob er Angst vor diesen Fischen habe, gönnt sich Sikiya eine längere Pause zum Nachdenken. „Ich rede lieber von Respekt gegenüber dem Weißen Hai als von Angst“, sagt er dann. Damit charakterisiert er treffend den Geist, mit dem die Mitarbeiter des im Jahr 2004 gegründeten Haiprogramms an die Arbeit gehen, wenn sie versuchen, diese weltweit gefürchtete Art in das tägliche Leben am Strand zu integrieren. Die Biologin Alison Kock von der Marinen Forschungseinheit der Uni Kapstadt formuliert es so: „Wir versuchen laufend, das Gleichgewicht zwischen Umwelt und Ansprüchen der Haie einerseits und den Wünschen und Anforderungen der Menschen andererseits zu finden.“ Letztere sind an den beliebten Stränden rund um die False Bay klar: Einheimische wie Touristen wollen ohne Gefahr baden und surfen.

Ansprüche haben aber auch die Weißen Haie. Sie wandern regelmäßig an der Südostküste Afrikas entlang, um im südafrikanischen Sommer, also in der Zeit von Oktober bis März, das warme Küstenwasser am Kap zu genießen. Dann ist auch die Zeit gekommen, sich zu paaren – ein Jahr später bringen die Weibchen den Nachwuchs zur Welt. Entsprechend häufig sind in dieser Zeit die Haisichtungen – manchmal sind es mehrere Tiere an einem Tag. Allerdings sind Weiße Haie das ganze Jahr in der Gegend anzutreffen, weil es viele Seehunde gibt – die Leibspeise dieser Jäger. Im Durchschnitt, so berichtet Kock, werden hier etwa hundert Weiße Haie im Jahr gesichtet.

In Südafrike wird der Weiße Hai geschützt

In Südafrika ist diese weltweit als bedroht eingestufte Haiart streng geschützt – und darauf sind die Mitarbeiter des Haiprogramms auch ziemlich stolz. „Diese Haie sind graziöse Tiere – und erfolgreiche Räuber“, sagt Alison Kock. „Wir sind glücklich, sie hier zu haben – wir werden sie nicht töten.“ Mit dieser Haltung stehen die Südafrikaner unter den „Hainationen“ ziemlich alleine da. In Australien gab es im vergangenen Jahr nach sieben tödlichen Haiattacken sogar ein Tötungsprogramm für Tiere von mehr als drei Meter Länge: Die Haie wurden mit geköderten Angelleinen angelockt und insgesamt 172 Tiere gefangen, wovon 68 erschossen wurden. Nach heftigen Protesten wurde die ursprüngliche Absicht, die Haie auch im australischen Sommer 2014/15 systematisch zu töten, ausgesetzt.

Tödliche Haiattacken gab es auch an südafrikanischen Stränden. Für die betroffenen Gemeinden ist jede Attacke äußerst unerfreulich, weil dann umgehend die Touristen wegbleiben. In Muizenberg wurde daher bereits 2004 die Initiative „Shark Spotters“ ins Leben gerufen. Dabei halten Beobachter vom Strand aus, aber auch von erhöhten Punkten an der Küste Ausschau nach Haien. Wird ein Hai gesichtet, mahnt eine Sirene die Badenden, umgehend das Wasser zu verlassen. Inzwischen sind an mehreren Stränden rund um die False Bay insgesamt 30 Beobachter im Einsatz. Heute wird das ursprünglich aus einer privaten Initiative entstandene Programm von der Stadt Kapstadt sowie der Umweltstiftung WWF unterstützt.

Tagsüber wird ein Netz in der Badebucht gespannt

Allein mit einem Überwachungsprogramm wollte man sich in Muizenberg aber nicht begnügen. Schließlich gibt es immer wieder Wetterbedingungen, die keine zuverlässigen Haibeobachtungen erlauben – etwa stark gekräuseltes Wasser. Dies wird dann durch eine schwarze Haiflagge signalisiert. Um dennoch einen sicheren Badebetrieb zu gewährleisten, wird ein Teil der Bucht mit einem speziellen Netz abgetrennt. Dessen Maschen sind so dick, dass sich eigentlich kein Tier dauerhaft darin verfangen kann, auch keine Wale und Delfine. Außerdem wird das Netz jeden Abend aus dem Wasser genommen, damit die Meerestiere nachtsüber ungehindert die gesamte Bucht nutzen können. Am nächsten Morgen wird es dann wieder quer über die Bucht gespannt – ein ordentliches und zeitraubendes Stück Arbeit. „Weltweit ist dies der erste Zaun zwischen Haien und Menschen“, betont Alison Kock.

Den Weißen Haien in Südafrika geht es mithin recht gut – ohne dass die Menschen und die lokale Freizeitindustrie unter diesen Räubern zu leiden haben. Im Gegenteil: Haibeobachtungen von einem sicheren Unterwasserkäfig aus sind ein zusätzlicher Anziehungspunkt für abenteuerlustige Touristen. Auch die Meeresbiologin Kock kann sich dafür begeistern: „Es ist ein fantastisches Erlebnis“, meint sie.

Sobald die Weißen Haie aber im Zuge ihrer Wanderungen südafrikanische Gewässer verlassen, leben sie gefährlich. Im benachbarten Mosambik fallen sie immer wieder Fischern zum Opfer. So war die Reise eines mit einem Sender versehenen Haiweibchens in einem mosambikanischen Fischerdorf zu Ende, berichten die südafrikanischen Haiforscher. Und Haischützer dokumentierten im Jahr 2013 mit Fotos, wie dort ein Weißer Hai abgeschlachtet wurde. Die begehrten Flossen gingen an chinesische Aufkäufer, der Rest wurden wohl von der lokalen Bevölkerung gegessen.

Der Weiße Hai

Art
Der Weiße Hai ist weltweit verbreitet, er kann sehr weite Wanderungen durchführen. Nach Angaben der Umweltstiftung WWF ist er vor allem in der Nähe von Seehundkolonien zu finden, zum Beispiel in Südafrika, Kalifornien und Australien. Sein einziger Feind ist – neben dem Menschen – der Orca (Killerwal).

Bedrohung
Die Art gilt weltweit als gefährdet, lokal – etwa im Mittelmeer – als stark gefährdet. Für Schwimmer, Taucher und Surfer kann er zur Bedrohung werden. Allerdings weist der WWF darauf hin, dass der Mensch als direkte Beute für den Jäger nicht von Interesse ist. Die meisten Haiangriffe würden zudem fälschlicherweise dem Weißen Hai zugeschrieben