In diesem Jahr werden die Weichen für epochale Veränderungen im Kreis Ludwigsburg und der Region gestellt. Wir wagen einen Blick auf das, was da kommt.

Ludwigsburg - W

 

ir schreiben das Jahr 2025. Der Berliner Großflughafen BER und die Hamburger Elbphilharmonie befinden sich kurz vor der Fertigstellung. Die Region Stuttgart ist Europäische Kulturhauptstadt, und in Ludwigsburg findet die Landesgartenschau statt. Das Blühende Barock reicht vom Salonwald bis zum Favoritepark und von Pflugfelden bis zum Neckarufer. Die Alleenbäume strotzen nur so vor Gesundheit und, wo einst die Bundesstraße 27 alles durchschnitten hat, fließt der Verkehr unter der Erde – voll elektrifiziert und ferngesteuert.

Live is life!

Aber anders als die Kulturhauptstadt lockt die Gartenschau kaum Touristen an. Stattdessen sind überall Kamerateams unterwegs. Im Auftrag diverser Agenturen, die sich auf Live-Übertragungen von Kulturereignissen spezialisiert haben, filmen sie Rundgänge durch die Hängenden Gärten von Ludwigsburg. Ihr Publikum finden sie in Live-Theatern – ehemaligen Kinos. Nachdem die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen auf eine Viertelstunde geschrumpft war, hatten die Lichtspielhäuser ausgespielt. Spielfilme werden bekanntlich nur noch als Clips für Smartphones und Tablets produziert. In den einstigen Kinos werden jetzt Live-Events veranstaltet.

Die Wende begann zunächst nur zögerlich, mit der Übertragung von Opern aus aller Welt. Anna Netrebko statt in der Mailänder Scala im Ludwigsburger Scala, das war schon was. Wenig später wurden auch Konzerte von Rockbands auf die einstigen Kinoleinwände projiziert. Live is life! Die Folge: Kommunen sparten viel Geld, weil die meisten Opernhäuser geschlossen werden konnten. Und Popstars müssen nun nicht mehr auf strapaziöse Welttourneen gehen. Ein großer Auftritt in London oder Rio genügt. Auch die Fans sind begeistert. Weite Anreisen oder das Schlangestehen für kriminell überteuerte Karten erübrigen sich, nicht aber das kaum zu überbietende Gefühl, live dabei zu sein – in den ersten Reihen des Wembley-Stadions oder auf die Tribüne am Hockenheimring. Wenn das die Opis von Woodstock gewusst hätten!

Rembrandt in Ludwigsburg

Bald wurde auch den Kunstliebhabern der Weg zum Museum zu weit, sie ließen sich den Rundgang durch den Louvre in Paris oder das Museum of Modern Art als Angebot im Live 2.0-Format an ihren Heimatort schicken. Vor einer Dekade wurde das auch in Ludwigsburg zu einer regelrechten Sucht. Im Internet kursieren noch immer Veranstaltungshinweise von damals: Demnach gab es zum Beispiel am 22. Februar 2015 einen Besuch bei Rembrandt in der National Gallery in London und im Rijksmuseum von Amsterdam. Am 19. April des gleichen Jahres stand Vincent van Gogh auf dem Plan. Alles im kleinen Luna-Theater, aber live, versteht sich.

Schon zwei Jahre später war es auch mit den Original-Schlossführungen vorbei. Die Menschen sind versessen auf Live-Rundgänge, also werden seither immer wieder Kamerateams in die barocken Prunkräume geschickt. Dank ihres Einsatzes ist es nun endlich möglich, auch eine Tour durch das stets unterkühlte Corps de Logis zu unternehmen, ohne sich gleich eine Lungenentzündung zu holen. Stattdessen sitzt man behaglich im gut geheizten Scala und hört sich an, was Kammerdiener und Zofe so alles zu erzählen haben – und macht dabei vielleicht ein kleines Nickerchen. Denn, mit diesen Innovationen hat man natürlich auch auf den demografischen Wandel reagiert: mittlerweile sind 40 Prozent der Ludwigsburger älter als 65.