Der Schwabenstreich wird leiser, die Demos gegen Stuttgart 21 sind weniger gut besucht: Aber der tiefe Graben zwischen Befürwortern und Gegnern bleibt. Wie wollen die OB-Kandidaten mit dem umstrittenen Bahnprojekt umgehen?

Stuttgart - Die Zeiten, in denen jeder zweite Bürger der Stadt Plaketten unterschiedlichster Couleur auf der Brust vor sich hergetragen hat, sind lange schon vorbei. Und auch die abendliche Tröterei um Glockenschlag sieben, zu denen in fast in allen Himmelsrichtungen Stuttgarts der sogenannte Schwabenstreich ertönte, ist zwischenzeitlich fast überall verstummt. Aber der Graben zwischen Gegnern und Befürwortern des Bahnprojekts Stuttgart 21 ist zwar nach wie vor so breit wie tief.

 

Wie stehen die von den Fraktionen im Stadtrat unterstützten Kandidaten für die Stuttgarter OB-Wahl zu Stuttgart 21 und welche Weichen wollen sie für die Zukunft legen?

Sebastian Turner

„Wenn die Stuttgarter eines verbindet, dann der Überdruss am Streit. Es reicht uns allen. Parlamente, Gerichte und Bürger haben entschieden. Jetzt geht es ans Machen. Die Stadt muss die Bahn als Bauherr antreiben, das Projekt schnell und sicher umzusetzen, und auch das Land muss gehindert werden, den demokratischen Willen zu hintertreiben. Jede Verzögerung kostet schließlich Geld und bringt mehr Belastung. Noch wichtiger als der neue Bahnhof ist die Stadtentwicklungschance, die sich aus der frei werdenden Fläche ergibt. Eine historische, nicht wiederkehrende Gelegenheit. Hier können wir aus den Fehlern rund um den Bahnhof lernen. Wenn wir gemeinsam die beste Lösung suchen, entstehen keine blutleeren Investorenkästen, sondern lebendige Stadtquartiere für alle. Aus ehemaligen Bahnhofsstreitern können Verbündete werden für eine gelungene Stadtplanung. Und die offene Diskussion über die Gestaltung der Zukunft kann Stuttgart schon jetzt zu einem magnetischen Ort für Menschen mit Fantasie machen.“
 

Hier geht es zum Kandidatencheck mit Sebastian Turner (parteilos, Kandidat der CDU, unterstützt von FDP und Freien Wählern).

Bettina Wilhelm

„Der Streit um S 21 hat Stuttgart tief gespalten. Für viele Menschen ging es jedoch nicht nur um das Projekt selbst, sondern um ein Gefühl der Ohnmacht, auch gegenüber der Politik. Ich nehme die Sorgen und den Ärger der Menschen ernst, möchte ihnen aber auch nichts vormachen: S 21 wird kommen, und wer etwas anderes behauptet, täuscht sich und andere. Jetzt gilt es, das Projekt umzusetzen, die Chancen für die Stadt optimal zu nutzen und die Risiken kritisch im Blick zu behalten. Ich stehe für größtmögliche Transparenz und Sicherheit und werde dies auch vehement von den Projektpartnern einfordern. Bei Brandschutz, Barrierefreiheit oder Schutz des Mineralwassers darf es keine Kompromisse geben! Die einmalige städtebauliche Chance auf dem Gleisvorfeld möchte ich im offenen Dialog mit der Bürgerschaft nutzen und das Rosensteinquartier zu einem attraktiven Wohngebiet mit guter Infrastruktur entwickeln. Doch vorher warten noch viele wichtige Aufgaben in der Stadt. Lassen Sie uns die Gräben schließen und mit dem Dagegen- und Dafür-Denken aufhören und gemeinsam die Stadt entwickeln.“
 

Hier geht es zum Kandidatencheck mit Bettina Wilhelm (parteilos, Kandidatin der SPD).

Hannes Rockenbauch

„Am besten ist, man gräbt erst gar keine Gräben. Der alte OB hat durch Fehlentscheidungen die Bürgerschaft gespalten. Jetzt verstecken sich die Parteien hinter ihrer Volksabstimmung, um nicht in den riesigen Graben zu purzeln. Fakt ist: S 21 ist weder fertig geplant noch vollständig genehmigt oder durchfinanziert. Aber: mit dem modernisierten Kopfbahnhof gibt es eine leistungsfähigere, kundenfreundlichere und kostengünstigere Alternative. Zum Wohle aller Stuttgarter Bürger will ich K 21 vorantreiben. Mir geht es um die ganze Stadt, die will ich entwickeln und nicht nur das Immobilienprojekt S 21. Durch das bei K 21 frei werdende Geld (eine Milliarde Euro) wird vieles möglich: Abbau heutiger und geplanter Schulden (500 Millionen), Wasserrückkauf (100 Millionen), Förderprogramm für ökologische Energie und Gebäudesanierung (100 Millionen), städtische Bodenfonds (100 Millionen), ein Stiftungsprojekt für Kunst, Kultur, Bildung und soziale Teilhabe (100 Millionen). Durch den Aufbruch weg vom Prestigeprojekt hin zu Projekten mit und für uns wächst unsere Stadt wieder zusammen.“
 

Hier geht es zum Kandidatencheck mit Hannes Rockenbauch (parteilos, Kandidat von SÖS/Linke).

Fritz Kuhn

„Die Auseinandersetzung um S 21 spaltet noch immer die Bevölkerung. Die Volksabstimmung hat ergeben, dass das Land nicht mehr aussteigen soll, aber das Projekt hat dadurch nicht an Akzeptanz gewonnen. Ich bin noch immer nicht überzeugt, dass es eine gute Idee ist für fünf bis zehn Milliarden Euro einen unterirdischen Bahnhof zu bauen, der möglicherweise zu geringe Kapazitäten aufweist. Aber der Volksentscheid gilt für jeden OB-Kandidaten. Ich werde als OB dafür Sorge tragen, dass die Bürgerinnen und Bürger vor den schlimmsten Gefahren von S 21 geschützt werden. Das fängt beim Mineralwasser an, geht weiter über den fairen Umgang mit den Bewohnern des Kernerviertels und setzt sich bei den Kostenfragen fort. Stuttgart hat schon genügend Geld in das Projekt gesteckt, man denke nur an die Grundstückskäufe durch die Stadt. Sicherheit geht für mich vor Schnelligkeit beim Bau des neuen Bahnhofs. Die Spaltung der Bevölkerung wird nur langsam zu überwinden sein. Transparenz bei allem, was geschieht, ist eine Voraussetzung dafür. Und in Zukunft muss eine Bürgerbeteiligung einsetzen, ehe die Entscheidungen getroffen sind.“
 

Hier geht es zum Kandidatencheck mit Fritz Kuhn (Grüne).