In der Leitstelle Wasser der EnBW Regional AG in Gaisburg gehen jeden Tag 100 000 Signale aus dem gesamten Wasserleitungsnetz der Landeshauptstadt ein. Bei Problemen wird von hier aus Wasser durch andere Rohre umgeleitet, auch die Reparaturteams werden von der Leitstelle alarmiert.

S-Ost - Bernd Sommer ist umzingelt. Um ihn herum steht ein Monitor eng neben dem anderen, sie schirmen Sommer regelrecht ab. Dazu Tastaturen, Telefone und Unmengen von Informationen. Auf jedem der Bildschirme ist etwas anderes zu sehen: Grafiken, Diagramme, Tabellen, Landkarten – und unendlich viele Zahlen. Was der Mitarbeiter der Energie Baden-Württemberg Regional AG (EnBW) da sieht, ist das digitale Abbild der vollständigen Wasserversorgung der Landeshauptstadt in all ihren Facetten. Mit wenigen Klicks mit der Maus und dem einen oder anderen Tastendruck kann er ganzen Stadtquartieren das Wasser abstellen – oder eben dafür sorgen, dass in den Küchen und Badezimmern in einem Stadtteil beispielsweise trotz eines Rohrbruchs Wasser aus den Hähnen kommt.

 

Der Arbeitsplatz von Bernd Sommer liegt in Gaisburg und ist für den ganz normalen Stuttgarter kaum zu finden und schon gar nicht zu erreichen. Die Leitstelle Gas/Wasser ist Hochsicherheitsbereich und entsprechend abgeschirmt. Sie befindet sich etwas versteckt auf dem riesigen EnBW-Areal beim Gaskessel, das sich von der Gaisburger Brücke und der Talstraße bis zum alten Wasserwerk im Stadtteil Berg erstreckt. Dort ist das Gaswerk mit seinen zahlreichen Einrichtungen vom Gaskessel bis zum tiefgekühlten unterirdischen Flüssigerdgas-Speicher, dort ist das EnBW-Lager mit Rohren und Kabelrollen in allen Größen, dort sind Büros und Labors zur Prüfung der Wasserqualität – und eben die Leitstelle.

Ob die Tür aufgeht, entscheidet die Leitstelle

Wer hinein will, muss eine dreifache Zugangskontrolle passieren, die letzte Tür wird von drinnen geöffnet, also von Bernd Sommer oder einem seiner Kollegen, die hier im Drei-Schicht-Betrieb arbeiten. Überhaupt ist das Türen öffnen eine wichtige Aufgabe der Leitstelle.

Die Stuttgarter Trinkwasserversorgung erfolgt über ein 1372 Kilometer langes Wasserverteilnetz, die Hausanschlussleitungen in der Stadt sind noch einmal 1000 Kilometer lang. Das Stadtgebiet ist in 64 sogenannte Druckzonen unterteilt, die sich eher an der Höhenlage als an den Stadtteilgrenzen orientieren. Geregelt werden die Versorgung und der Druck über 44 Trinkwasserhochbehälter, 87 Trinkwasserkammern, über Druckreglerstationen, Pumpwerke und viele andere Einrichtungen. Gibt es in dem komplexen System einen Druckabfall oder ein anderes Problem, blinken auf einem der Monitore in der Leitstelle die Alarmlampen aufgeregt, verbunden mit entsprechenden Alarmtönen. Der Diensthabende muss die Störung dann rasch analysieren, die Wasserströme in dem Rohrnetz, so weit das von der Leitstelle aus möglich ist, gegebenenfalls umleiten und die Reparaturmannschaften losschicken. Diese können aber nicht einfach zu einem Hochbehälter fahren, reingehen und anfangen zu arbeiten. „Die Trinkwasserbehälter sind unsere Schatzkammern“, sagt Hermann Löhner, der Leiter Wasseranlagen und -beschaffung der EnBW Regional AG, der mit einem Team von 60 Mitarbeitern für die Wasserversorgung verantwortlich ist. Für die Behälter gibt es ein ausgeklügeltes Sicherheits- und Zugangssystem – und die Türen werden erst von der Leitstelle aus geöffnet oder halt nicht.

Ein halbes Jahr Probelauf für die Software

Rund 100 000 Signale aus dem gesamten Wasserleitungsnetz gehen pro Tag in der Leitstelle ein und wollen entsprechend eingeordnet werden. Wäre das gesamte Netz sozusagen elektrifiziert, wären es noch mehr. Allerdings ist es laut EnBW gar nicht finanzierbar, beispielsweise alle Schieber in der Landeshauptstadt umzurüsten. Deswegen müssen viele davon per Hand geöffnet oder geschlossen werden.

Die Daten aus dem Netz werden über EnBW-eigene Lichtwellenleiternetze übermittelt, die vom öffentlichen Datennetz abgekoppelt sind. Auch die Server, Computer und Software unterliegen höchsten Sicherheitsanforderungen. Bevor etwa eine Software installiert wird, muss sie einen Durchlaufcheck bestehen, der ein halbes Jahr dauert. Sollte es in der Leitstelle doch einmal zu gravierenderen Problemen kommen, wird in die Ersatz-Leitstelle im alten Wasserwerk umgezogen. Und selbst wenn es in beiden Leitstellen zu einem Totalausfall kommen sollte, bleibt die Wasserversorgung gesichert. Dann greift ein dezentrales Steuerungssystem, mit dem das Versorgungsnetz von unterschiedlichen Stellen aus kontrolliert und gesteuert werden kann.