Wissenschaftler aus Sachsen-Anhalt haben die Wasserkraft neu entdeckt. Schwimmende Wasserrmühlen sollen in Zukunft der Energieerzeugung dienen.

Magdeburg - Wer kennt es nicht, das alte Volkslied "Es klappert die Mühle am rauschenden Bach"? Schon vor mehr als Tausend Jahren wurde Energie aus strömendem Wasser in Form von Fluss- oder Gezeitenmühlen gewonnen. Was sich Müller, Tischler und Schmied schon seit dem neunten Jahrhundert zunutze gemacht haben, erfährt derzeit in Sachsen-Anhalt eine Renaissance: die Energiegewinnung durch Wassermühlen.

 

Vor dem Hintergrund der aktuellen Energiesituation wird es Zeit, diese kontinuierliche und absolut umweltfreundliche Energiequelle wieder zu nutzen, dachte sich eine Gruppe von Unternehmen, die vorwiegend in Sachsen-Anhalt zu Hause sind. Und so bauen sie derzeit einen 13,5 Meter langer und sechs Meter breiten Forschungsversuchsträger namens Vector. Demnächst soll er zu Wasser gelassen werden.

Er schwimmt auf Pontons und erinnert an einen Katamaran, in dessen Mitte zunächst eine Turbine befestigt wird. Sie soll bis zu zehn Kilowatt Leistung bringen und entsprechend etwa 20 Haushalte mit Strom beliefern können. Später soll auf die Plattform ein neuartiges Klappschaufelwasserrad mit getriebeloser Energiewandlung montiert werden, das für rund 30 Haushalte Energie liefert.

Schwimmende Mühlen schonen Wassertiere

Das Prinzip der Technik ist immer das gleiche: Durch den Druck der Wasserströmung setzen sich die verschiedenartig geformten Räder oder Schaufeln in Bewegung und aktivieren einen stromerzeugenden Generator. Dieser aus erneuerbarer Energie gewonnene Strom kann dann in das Stromnetz eingespeist oder etwa für einen mittelständigen Betrieb selbst genutzt werden.

Irgendwann will man so weit kommen, mehrere Turbinen oder Wasserräder auf großen, im Fluss liegenden Plattformen flottillenartig hintereinander zu schalten. So könnten bei einem Standort mit hoher Strömung mehrerer hundert Haushalte mit Strom versorgt werden. "Wenn man aus fließendem Gewässer Wasserkraft gewinnen will, hat man so gut wie keine Einschränkungen.

Ein Fluss wie die Elbe etwa ist fast immer verfügbar - es sei denn, er ist vereist, was aber selten ist. Ein weiterer großer Vorteil der Technik ist, dass die schwimmenden Mühlen im Gegensatz zu Staudämmen problemlos von Fischen und Wassertieren umschwommen werden können", sagt Mario Spiewack vom Zentrum für Produkt-, Verfahrens- und Prozessinnovation (ZPVP), das zur Hälfte zur Universität und zur Hälfte zur Stadt Magdeburg gehört. Spiewack leitet das Forschungsnetzwerk Fluss-Strom das aus 16 mittelständischen Betrieben und vier Forschungseinrichtungen besteht.

Optimale Nutzung der Standorte

"Natürlich ist die Gewinnung von Strom aus den schwimmenden Mühlen nicht ganz so einfach, wie es klingt" berichtet Spiewack. Die Elbe mit ihren unterschiedlichen Wasserständen und den unterschiedlichen Strömungsgeschwindigkeiten ist eine echte Herausforderung. "Denn unsere Wassermühlen benötigt bei der jetzigen Auslegung des Schaufelrades eine Eintauchtiefe von einem halben bis zu 1,20 Metern, um gute Leistungen zu erreichen."

Deshalb wurden nicht nur die Wasserstände der Elbe der vergangenen 20 Jahre studiert, sondern auch die sich jahreszeitlich verändernde Strömung beobachtet. Dazu kommen die zu beachtenden Bau- und Umweltvorschriften. Die Bauwerke dürfen weder die Schifffahrt behindern noch in die umliegende Vegetation eingreifen, so dass die schwimmenden Mühlen natürlich fest verankert werden und aus Effizienzgründen im optimalen Winkel zur Strömung stehen müssen.

Denn das Netzwerk baut die Mühlen nicht aus Gründen der Nostalgie, sondern es will damit Geld verdienen. "Das funktioniert nur, wenn wir durch effiziente Serienfertigung die verschiedensten kleinen Wasserkraftanlagen einsatzbereit an die jeweiligen Nutzungsstellen transportieren können", stellt Spiewack klar. Um die Rahmenbedingungen der einzelnen Standorte - also Fließgeschwindigkeit, Fallhöhe, Flusstiefe und Wassermenge - optimal nutzen zu können, sollen die Anlagen aus einem modularen Baukasten zusammengestellt werden.

 Bei der einen Pilotanlage soll es nicht bleiben

Um zu testen, welche Systeme auf großen, relativ ruhig und gleichmäßig fließenden Flüssen wie der Elbe am effizientesten sind, will das Forschungsnetzwerk in den kommenden Monaten die verschiedensten Wasserräder und Turbinen aufs Wasser bringen. Schon jetzt gibt es kleine, schwimmende Klappschaufelwasseräder, die sich bei einer Gesamtinvestition von 40000 Euro in etwa sechs Jahren amortisieren.

Ein solcher Flussmühlen-Prototyp bewährt sich bereits seit März diesen Jahres im Auslaufbereich der Talsperre Wendefurth im Harz. Er liefert dort fünf Haushalten Energie. "Unser Ziel ist es, die Kosten bei der Herstellung der Flussmühlen noch weiter zu reduzieren und die Effizienz etwa durch Gewichtsreduzierung zu steigern. Deshalb lassen wir jetzt auch diese Forschungsplattform mit den verschiedensten Mühlrädern und Turbinen zu Wasser", erklärt Spiewack.

Bei der einen Pilotanlage soll es nicht bleiben. Eine eigens gegründete Firma soll die Flusskraftwerke von Magdeburg aus vermarkten. Es liegen bereits Anfragen aus der Schweiz, Österreich und sogar Kambodscha vor. Potenzielle Kunden in Deutschland sind neben kleinen Ökostromerzeugern auch mittelständische Betriebe, landwirtschaftliche Höfe und Privathaushalte, die in der Nähe eines Flusses liegen.

Moderne Wasserräder

Klappschaufelrad Dieses Wasserrad (siehe kleines Bild) funktioniert ähnlich wie eine herkömmliche Wassermühle. Allerdings nutzt es viel mehr Fläche und kann dadurch auch mehr Strom produzieren. Der Klappmechanismus bewirkt, dass die Schaufeln, die sich im Strömungsschatten befinden, senkrecht aus dem Wasser gezogen werden. Dadurch wird vermieden, dass sie beim Austauchen das Wasser anheben - was den Wirkungsgrad deutlich reduzieren würde.

3-D-Schaufelrad (River Rider) Dieses besonders gestaltete Schaufelrad (siehe großes Bild oben) besteht aus einem Zylinder, aus dem die Hohlform eines Dreiecks herausgeschnitten ist. Durch diese Hohlform wird die Fließenergie beim Eintauchen in das Wasser aufgenommen. Dank der dreidimensionalen Form ist solch ein Wasserrad beim Auftauchen sehr wasserabweisend und kann so einen höheren Wirkungsgrad als andere Wasserräder erzielen.

Turbine Im Gegensatz zu den Schaufelrädern ist die Turbine ganz mit Wasser bedeckt. Sie funktioniert wie ein Windrad, nur dass sie mit der Flussströmung und nicht mit Wind angetrieben wird. Dabei wird die Energie des linear fließenden Wassers in Rotationsenergie umgewandelt, mit der sich ein Generator antreiben lässt.