Im Streit um den Kaufpreis für Anlagen und Lieferverträge des Stuttgarter Wassernetzes geben die Stadträte grünes Licht für eine Klage. Die Vorstellungen der Stadt und des Energieversorgers EnBW liegen weit auseinander.

Stuttgart - Die Landeshauptstadt wird gegen den Energieversorger EnBW auf die Herausgabe des Wasserversorgungsnetzes klagen. Der Verwaltungsausschuss des Gemeinderats hat am Mittwoch einstimmig grünes Licht für diesen Schritt gegeben. Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) sagte, man habe sich für eine Stufenklage entschieden. Damit soll die EnBW zunächst gezwungen werden, alle Details über die Höhe des mit der Wasserversorgung verbundenen Vermögens offenzulegen. In einem zweiten Schritt müsste das Gericht dann die Höhe des Kaufpreises für das Wassernetz bestimmen.

 

Wie berichtet, verlangt die EnBW für die Übernahme des Netzes durch die Stadt einen Kaufpreis von 600 bis 750 Millionen Euro – den sogenannten Sachzeitwert. Die Stadt vertritt hingegen die Ansicht, dass sich der Kaufpreis nach dem sogenannten Ertragswert orientiert.

Verwaltung hat Gutachter mit Preisfindung beauftragt

Das ist jene Summe, die die EnBW vor mehr als zehn Jahren bei der Privatisierung der Wasserversorgung an die Stadt entrichtet hat. OB Kuhn geht von einem Betrag zwischen 160 und 180 Millionen Euro aus. Die Verwaltung stützt sich dabei auf ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young.

Stadträte aller Fraktionen begrüßten den Schritt, lediglich der FDP-Fraktionschef Bernd Klingler votierte „zähneknirschend und mit Bauchschmerzen“ für den Vorschlag der Verwaltung. Er äußerte Verständnis dafür, dass die EnBW als derzeitiger Eigentümer einen Kaufpreis vorgebe.

SPD sieht sich durch Entscheidung der Kartellbehörde bestätigt

Peter Pätzold, der Vorsitzende der Grünen-Fraktion, nannte es bedauerlich, dass die Verhandlungen mit der EnBW an einem Punkt angekommen seien, „wo es nicht mehr weitergeht“. Das Verfahren diene auch der Klärung der Mitsprache in den Wasserzweckverbänden. Der CDU-Fraktionschef Alexander Kotz betonte, es gehe bei der Klage nicht um die Frage, „ob uns die EnBW etwas angetan hat“. Das Verfahren diene lediglich dazu, den richtigen Wert des Wassernetzes festzustellen. Insbesondere dürfe der Rechtsstreit nicht das laufende Konzessionsverfahren über die Neuvergabe der Strom- und Gasversorgung belasten, bei dem sich unter anderem auch die EnBW um die Vergabe bewirbt. Kotz warb dafür, weiter ein „gutes Miteinander“ mit der EnBW zu pflegen.

Der SPD-Stadtrat Manfred Kanzleiter erklärte, die kürzlich ergangene vorläufige Entscheidung des Landekartellamts, wonach die jüngste Wasserpreiserhöhung der EnBW um 9,3 Prozent ungerechtfertigt sei, habe die Position der Stadt bestätigt. Der Energiekonzern habe ganz offenbar versucht, den Preis für das Netz durch die Anhebung nach oben zu treiben. Hintergrund ist, dass sich der Ertragswert des Wassernetzes durch die Einnahmen aus dem Wasserverkauf erhöht hätte. Die beim Umweltministerium angesiedelte Kartellbehörde ist allerdings der Auffassung, dass die EnBW die Erhöhung zurücknehmen muss. Kanzleiter betonte, es gebe keinen Zusammenhang zwischen dem Rückkauf des Wassernetzes und der Vergabe der Strom- und Gaskonzession.

Anwalt rechnet mit langem Verfahren

Das sieht auch OB Kuhn so: „Wir machen da keinen Deal. Wer darauf spekuliert, der täuscht sich gewaltig.“ Der Rathauschef riet aber auch dazu, das anstehende Gerichtsverfahren nicht zu überhöhen. „Im Rechtsstaat folgt aus einem Rechtsstreit keine Feindschaft“, so Kuhn. Hannes Rockenbauch (SÖS/Linke) sagte, der bevorstehende Rechtsstreit zeige wieder einmal , „welch katastrophale Fehlentscheidung es war, seinerzeit die Wasserversorgung zu verkaufen“. Das Lebensmittel Wasser gehöre zur kommunalen Daseinsvorsorge.

Der Rechtsanwalt Christian Stenneken von der Essener Kanzlei Aulinger, der für die Stadt die Klageschrift vorbereitet, rechnet mit einer Verfahrensdauer von mindestens fünf Jahren. Er schätzt die Erfolgsaussichten der Stadt aber als hoch ein.

Michael Föll schließt Nachtragshaushalt nicht aus

Finanzbürgermeister Michael Föll erklärte auf Nachfrage des Fraktionschefs der Freien Wähler, Jürgen Zeeb, bisher sei noch kein Betrag für den Rückkauf des Wassernetzes im Haushalt eingestellt. Dies müsse in den kommenden Haushaltsberatungen besprochen werden. Föll schloss einen Nachtragshaushalt nicht aus, falls der Kaufpreis vom Gericht höher festgesetzt werde als die entsprechende Rückstellung im Haushalt. Föll machte deutlich, dass die Klage die „schlüssige Konsequenz“ aus dem Bürgerbegehren „100-Wasser“ sei, das sich der Gemeinderat zu eigen gemacht habe. Dabei hatten sich im Jahr 2012 rund 27 000 Bürger für den Rückkauf des Wassernetzes, aber auch für die Rekommunalisierung von Strom und Gas ausgesprochen.