Stuttgart will die EnBW notfalls gerichtlich zwingen, das Wassernetz und die Bezugsrechte für Wasser ans Rathaus zurückzugeben. Damit möchte die Stadt auch Plänen der EU zuvorkommen.

Stuttgart - In Stuttgart stehen die Zeichen beim Wasser auf Rekommunalisierung statt Privatisierung. Die Stadt will – mit einem erfolgreichen lokalen Bürgerbegehren von 2010 im Rücken – den Karlsruher Energiekonzern EnBW notfalls gerichtlich zwingen, das Wassernetz der Landeshauptstadt und die Bezugsrechte für Bodensee- und Landeswasser ans Rathaus zurückzugeben. Ende des Monats soll im Verwaltungsausschuss des Gemeinderats die Klage beschlossen werden.

 

Bei dem wohl bevorstehenden Gang vor den Kadi geht es um viel Geld: Die EnBW weigert sich, das rund 2500 Kilometer lange Wassernetz der Landeshauptstadt mit zahlreichen Hochbehältern und Pumpstationen der Stadt bis Ende 2013 zum sogenannten Ertragswert zu überlassen. Der Konzern, dessen Stuttgarter Wasserkonzession Ende des Jahres ausläuft, verlangt den wesentlich höheren Sachzeitwert für das Netz.

„Der Unterschied beträgt mehrere Hundert Millionen Euro“, heißt es im Stuttgarter Rathaus. Statt rund 150 Millionen Euro verlange die EnBW rund 600 Millionen Euro. Die Verhandlungen blieben im vergangenen Jahr ergebnislos. „Wir liegen beim Preis deutlich auseinander“, erklärte der damalige OB Wolfgang Schuster. Jetzt stehen die Zeichen auf Sturm, heißt es im unter dem neuen OB Fritz Kuhn ergrünten Rathaus. Die EnBW versuche, das Wasser als Druckmittel zu benutzen, um bei der Neuvergabe der Ende des Jahres ebenfalls auslaufenden Konzessionen für Strom und Gas wieder zum Zug zu kommen. Um die neuen Lizenzen haben sich auch die neuen Stadtwerke Stuttgart sowie weitere Energieversorger beworben.

Preiserhöhung verschärft den Streit

Die zum 1. August 2012 von der EnBW umgesetzte Erhöhung des Wasserpreises um 9,3 Prozent hat den Streit verschärft. Die Verteuerung gilt im Rathaus als nicht nachvollziehbar und inakzeptabel. Damit wolle der Konzern den Wert des Netzes künstlich in die Höhe treiben. Der kalkulatorische Aufwand für das Wassernetz sei im vergangenen Jahr urplötzlich von 13 auf 42 Millionen Euro gestiegen. Daraus ergebe sich ein auf 600 Millionen Euro angestiegener Wert.

Diese „blitzartige Wertsteigerung“ gilt bei der Stadt als „plumper Trick“. Seit Herbst 2012 prüft die Energiekartellbehörde des Landes, ob die Wasserpreiserhöhung gerechtfertigt ist. Zu einer Entscheidung sind die Kartellwächter aber noch nicht gekommen.

Die EU macht Stuttgart keine Angst

Vor diesem Hintergrund sind die neuen EU-Pläne zur Privatisierung der Wasserversorgung im Stuttgarter Rathaus ohne große Emotionen zur Kenntnis genommen worden. „Davon sind wir praktisch nicht tangiert“, sagt Volker Schaible, der Leiter der Stadtkämmerei. Bis zum Ende der von der EU vorgesehenen Übergangsfrist im Jahr 2020 habe man längst die Kommunalen Wasserwerke Stuttgart (KWS) gegründet und das erfolgreiche Bürgerbegehren zur Rekommunalisierung der Wasserversorgung umgesetzt.

„Auch nach Einschätzung des deutschen Städtetages sind Wasserwerke, die allein einer Kommune gehören, von den EU-Plänen nicht betroffen“, so Schaible. Man werde sich aber auf jeden Fall den genauen Wortlaut der umstrittenen EU-Konzessionsrichtlinie beschaffen, sobald eine vollständige Übersetzung ins Deutsche vorliege.

Bei der EnBW rechnet man immer noch mit einer konstruktiven und gütlichen Lösung im Wasserstreit. Die eigenen Preisvorstellungen hält der Konzern für gerechtfertigt. Man habe allein in den vergangen Jahren mehr als 50 Millionen Euro in das Stuttgarter Wassernetz investiert. Auch die Anhebung des Wasserpreises sei wegen gestiegener Kosten unumgänglich gewesen.