Im Prozess um den aus dem Ruder gelaufenen Polizeieinsatz im Schlossgarten am 30. September 2010 hat am Dienstag ein weiterer Geschädigter von seiner schweren Augenverletzung berichtet.

Stuttgart - Im Prozess um den aus dem Ruder gelaufenen Polizeieinsatz im Schlossgarten am 30. September 2010 hat am Dienstag ein weiterer Geschädigter von seiner schweren Augenverletzung berichtet. Zwei Polizisten müssen sich in dem Verfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung im Amt verantworten. Sie sollen nicht eingeschritten sein, als die Wasserwerfer an dem sogenannten „schwarzen Donnerstag“ mit zu hartem Strahl gegen Stuttgart-21-Demonstranten vorgingen.

 

Rund 20 Prozent Sehkraft verloren

Der Zeuge war nach seinen Schilderungen im Mittleren Schlossgarten von einem Wasserstrahl am rechten Auge getroffen worden. Sein Augenhöhlenknochen brach. In zwei Operationen musste eine Titanplatte eingesetzt werden, die er immer wieder mal spürt. Auch Linse und Netzhaut wurden verletzt. Er habe rund 20 Prozent Sehkraft auf dem Auge verloren, berichtete der 35-Jährige.

Ein Parkschützer-Alarm hatte am Vormittag des Tages auf die geplanten Baumfällaktionen für das Bahnprojekt hingewiesen. Der Diplom-Ingenieur war gegen 15.15 Uhr in den Schlossgarten gegangen. Er stellte sich in der Nähe eines Baumes unweit vom Biergarten auf. „Was ich da gesehen habe, war für mich erschreckend“, schilderte er im Zeugenstand. Um die Sitzblockade aufzulösen, hätten Polizisten wahllos mit dem Wasserstrahl in die Menge geschossen und zudem Schlagstöcke und Pfefferspray eingesetzt.

Zu Boden gerissen

Er habe in der zweiten oder dritten Reihe gestanden, als ihn der erste Strahl traf. Zunächst riss es ihm den Regenschirm aus der Hand. „Es war ein mächtiger Strahl. Das hat mich überrascht.“ Später habe ihn ein Wasserstoß an der Hüfte getroffen und zu Boden gerissen. Er versuchte, sich mit einem Biertisch abzuschirmen, merkte aber, dass er dem Strahl nicht standhalten konnte. Im Weggehen habe er sich umgedreht und sei in dem Moment im Gesicht getroffen worden.

In dem Prozess hatten zuerst die beiden 41 und 48 Jahre alten Angeklagten die Ereignisse vom schwarzen Donnerstag Minute für Minute geschildert. Ermittelt wird in dem Zusammenhang auch gegen den früheren Polizeipräsidenten Siegfried Stumpf. Bis zur Sommerpause Anfang August sagen noch mehrere Geschädigte aus. Fortgesetzt wird das Verfahren am heutigen Mittwoch mit der Vernehmung von zwei weiteren verletzten Demonstranten.