Der neue Chef der Deutschen Bank, John Cryan, bemängelt in einem Brief an die Mitarbeiter teure und ineffektive Investitionen der Bank.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Der neue Deutsche-Bank-Chef John Cryan will das skandalgeschüttelte Geldhaus wieder auf Kurs bringen. In einem Brief an die Mitarbeiter identifizierte der Brite bei seinem Amtsantritt am Mittwoch zahlreiche Baustellen – von anhaltenden Rechtsstreitigkeiten über mangelnde Effizienz bis hin zu Problemen mit den Aufsichtsbehörden.

 

Der bisherigen Doppelspitze der Bank stellte Cryan damit kein gutes Zeugnis aus. Zwar vermied der 54-Jährige direkte Kritik an seinem Vorgänger Anshu Jain und an Jürgen Fitschen, der noch bis Mai 2016 als Co-Vorstandsvorsitzender im Amt bleibt, doch Cryans Brief ist eine schonungslose Bestandsaufnahme: Er bemängelt teure, aber „oftmals nicht zielführende Investitionen in unsere Infrastruktur“ und die bisherige Kommunikation zwischen Vorstand und Mitarbeitern. Und er mahnt: „Unsere Beziehungen zu den Aufsichtsbehörden müssen verbessert werden.“

Ganz ähnlich hatte sich zu Beginn der Woche der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), Felix Hufeld, geäußert. Die Deutsche Bank müsse „zuverlässige, belastbare Prozesse“ hinbekommen, „auch mit der Aufsicht“, sagte der Bafin-Chef am Montagabend im Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten.

Welche Rolle spielte Jain beim Libor-Skandal?

Vorausgegangen war ein Bericht der britischen „Financial Times“, demzufolge die Bafin dem scheidenden Co-Vorstandsvorsitzenden Jain eine Mitverantwortung für den sogenannten Libor-Skandal zuweist. Dabei geht es um Zinsmanipulationen durch internationale Großbanken, derentwegen allein die Deutsche Bank rund drei Milliarden Euro Strafe zahlen musste. Investmentbanker des deutschen Branchenprimus waren an den Manipulationen beteiligt. Laut „Financial Times“ wirft die Bafin Jain vor, in seiner Zeit als Chef des Investmentbankings ein Arbeitsumfeld geschaffen zu haben, das zu den Missständen beigetragen habe. Für eine Mitwisserschaft Jains oder gar eine Anordnung der Manipulationen durch das Management fänden sich in dem Untersuchungsbericht der Finanzaufsicht allerdings keine Belege.

Die Aufsichtsbehörde äußert sich nicht dazu, ob ihre Untersuchung zu Jains Rücktritt beigetragen hat. Hufeld antwortete auf entsprechenden Fragen nur allgemein: Wenn die Bafin mit dem Management einer Bank nicht zufrieden sei, „schildern wir dem Institut zunächst die aufsichtsrechtliche Bewertung der Fakten – informell“, sagte er. Ob er Jain für glaubwürdig halte, beantwortete Hufeld mit dem Satz: „Die Frage nach Anshu Jain stellt sich für uns nicht mehr.“

Nachfolger Cryan muss nun nicht nur das Vertrauen von Aufsicht, Kunden und Anlegern zurückgewinnen. Er muss auch den Ende April beschlossenen Schrumpfkurs in Angriff nehmen: Neben der Trennung von der Tochter Postbank plant die Deutsche Bank die Schließung von rund 200 eigenen Filialen bis 2017. Auch das Investmentbanking soll abspecken. Cryan will hier offenbar beim Handel mit Wertpapieren und Derivaten das Messer ansetzen: Diese Geschäfte dürften „nicht mehr so bilanzintensiv sein. Diesen Luxus können wir uns nicht erlauben“, heißt es in seinem Antrittsschreiben. Für die weitere Konkretisierung der „Strategie 2020“, die Jain und Fitschen in groben Zügen entworfen haben, will sich der Brite bis Ende Oktober Zeit nehmen. Nach dem ursprünglichen Zeitplan sollten die Einzelheiten schon Ende dieses Monats veröffentlicht werden. Cryan gehörte vor seiner Ernennung zum Vorstandsvorsitzenden zwei Jahre lang dem Aufsichtsrat der Deutschen Bank an.