Drei von fünf Abteilungen in der Stuttgarter Regierungszentrale haben jüngst neue Leiter bekommen. Karriere machte ein junger grünen-naher Jurist, aber auch ein alter Hase aus CDU-Zeiten.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Noch arbeitet Rudi Hoogvliet keine vollen zwei Jahre im Stuttgarter Staatsministerium. Im Mai 2011 übernahm der einstige Chefstratege der Landtags-Grünen bei Winfried Kretschmann den Job des Regierungssprechers. Damit amtiert er länger als seine beiden unglücklichen Vorgänger, die Stefan Mappus in nur 15 Monaten verschliss, aber noch nicht wirklich lange. Doch in der Villa Reitzenstein ist Hoogvliet neuerdings bereits der zweitdienstälteste Abteilungsleiter.

 

Es ist die Folge eines munteren Stühlerückens, bei dem in den vergangenen Monaten gleich drei der fünf Spitzenpositionen in Stuttgart umbesetzt wurden. Zuletzt verabschiedete sich der Leiter der Abteilung 1 (Finanzen, Personal, Organisation), Ministerialdirigent Michael Kleiner, aus der Staatskanzlei. Er übernahm im Wissenschaftsministerium die wichtige Forschungsabteilung – ein Umstieg auf der gleichen Ebene, wenngleich in ein verglichen mit der Zentrale der Macht weniger prestigeträchtiges Fachressort.

Grünen-naher Jurist steigt steil auf

Der noch zu CDU-Zeiten installierte Jurist Kleiner galt zwar auch den Grünen als loyal. Doch in seine Verantwortung fiel ein Vorgang, bei dem das Staatsministerium nicht gut aussah: Erst aufgrund von StZ-Recherchen wurde nach mehr als einem Jahr festgestellt, dass Mappus die Festplatte seines Computers hatte vernichten lassen, durch einen Zufall jedoch noch Mailkopien vorhanden waren. Dabei hatten die neuen Regierenden angeblich überall nach alten Dokumenten suchen lassen.

Kleiners Position hat ein grünen-naher Beamter übernommen: der promovierte Jurist Florian Stegmann. Seit dem Machtwechsel verlief seine Karriere im Turbotempo, vom Referenten im Justizministerium avancierte er zum stellvertretenden Referatsleiter im Staatsministerium, dann zum Referatsleiter und nun schließlich zum Abteilungsleiter. Sein Blitzaufstieg provozierte unter alten Kollegen zwar manchen kritischen Kommentar. Ob es da wirklich nur nach Eignung, Befähigung und Leistung gegangen sei? Aber klar doch, verlautet aus der Villa Reitzenstein, wo Stegmann hoch gelobt wird: insbesondere die politisch hochdiffizile Stuttgart-21-Thematik habe er als zuständiger Beamter souverän bewältigt. Auf die Beförderung zum Ministerialdirigenten muss der Ministerialrat aus formalen Gründen freilich noch etwas warten.

Interims-Vordenker mit buntem Vorleben

Ganz andere Gründe hat der Wechsel an der Spitze der Grundsatzabteilung, die als eine Art „Think Tank“ gilt. Nach dem von Mappus geholten CDU-Mann Sven Hinterseh, der inzwischen Landrat des Schwarzwald-Baar-Kreises ist, wurde dorthin erstmals eine Frau berufen: Birgit Locher-Finke, promovierte Politologin aus Tübingen, Honorarprofessorin an der dortigen Uni, Kurzzeit-Stadträtin und parlamentarische Beraterin der Grünen-Fraktion. Als solche arbeitete sie lange und eng mit Kretschmann zusammen. Inzwischen hat die zweifache Mutter ihr drittes Kind bekommen - und pausiert erst einmal für ein Jahr.

Die Suche nach einer Interimslösung gestaltete sich dem Vernehmen nach nicht ganz einfach; eine längerfristige Perspektive konnte man schließlich nicht bieten. Gefunden wurde Gregor Hopf, der vor zehn Jahren ebenfalls einmal Berater der Landtags-Grünen war, zuständig für Finanzpolitik. Der promovierte Wirtschaftshistoriker hat eine bunte berufliche Vita vorzuweisen: er war schon Radiomoderator, Assistent und Geschäftsführer bei Musical-Produktionen und Dozent an der London School of Economics. Seit 2007 ist Hopf Professor für Media Management an der Hamburg School of Business Administration, wohin er nach dem Intermezzo in Stuttgart zurückkehren wird. Eines seiner Lehrfächer dort: Krisenkommunikation.

Alter Hase aus CDU-Zeiten befördert

Schon manche landespolitische Krise hat der neue Leiter der Abteilung Europapolitik erlebt: der einstige Protokollchef Werner Schempp zählt zu den alten Hasen im Staatsministerium. Er kam zum Zuge, nachdem die eigentlich vorgesehene Abteilungsleiterin – eine Spitzenbeamtin aus der Berliner Landesvertretung – überraschend mit 48 Jahren gestorben war. Schempp gilt in der Ministerialbürokratie als Faktotum, das aus einem reichen Fundus von Geschichten schöpfen kann. Dass er den größten Teil seines Berufslebens unter CDU-Ministerpräsidenten gedient hat, scheint weder für ihn noch für die Grünen ein Problem. Gleiches gilt für den Leiter der Abteilung 3 (Wirtschaft, Soziales, Bildung), Claus Eiselstein. Er amtierte schon zu Günther Oettingers Zeiten – und ist damit weit vor Hoogvliet der dienstälteste Abteilungschef. Vor ein paar Jahren zog es Eiselstein schon einmal weg: er wäre er gerne Generalsekretär des Wissenschaftsrates geworden, kam aber nicht zum Zug. Aktuell sind keine Abwanderungsgelüste bekannt. Die Grünen-Regierenden halten auf ihn große Stücke, er seinerseits schätzt Kretschmann - auch wegen dessen Umgangs mit Mitarbeitern: Anders als bei Oettinger oder Mappus müssen Abteilungsleiter bei ihm nicht fürchten, vor versammelter Mannschaft verbal abgebürstet zu werden.