Die US-Notenbank will 2015 den Leitzins erhöhen. Davon ist die Europäische Zentralbank noch weit entfernt. Das Gefälle stärkt die Attraktivität des Dollars.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Der Schuldenrekord in der Währungsunion und gute Konjunkturdaten aus den USA haben den Euro auf den tiefsten Stand seit Ende November gedrückt. Die Gemeinschaftswährung konnte sich am Mittwoch nach einem deutlichen Rückgang am Vortag zwar stabilisieren, blieb aber unter der Marke von 1,35 Dollar. Seit Monatsbeginn ist der Kurs um zweieinhalb US-Cent gefallen.

 

Damit zeigt die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) Wirkung. Die Notenbank hatte Anfang Juli angekündigt, mit Geldspritzen im Volumen von bis zu einer Billion Euro die Kreditvergabe in Euroland anzukurbeln. Gleichzeitig zieht die US-Notenbank Federal Reserve die Zügel an: Sie fährt den Kauf von US-Staatsanleihen zurück und will nächstes Jahr den Leitzins erhöhen. Höhere Zinsen steigern in der Regel die Attraktivität einer Währung, weshalb der Dollar gegenüber dem Euro an Boden gewinnt. Dagegen ist Europas Gemeinschaftswährung gegenüber dem Yen weiterhin relativ stark, weil die japanische Notenbank derzeit im großen Maßstab Geld druckt.

Der Euro ist überbewertet

Im Vergleich zum Dollar halten Experten den Euro seit Langem für überbewertet. Als Maßstab dafür gilt die sogenannte Kaufkraftparität. Sie wäre bei einem Kurs von etwa 1,30 Dollar gegeben, sagt Lutz Karpowitz, Devisenexperte bei der Commerzbank. Das heißt: Für 1,30 Dollar bekommt man in den USA etwa die gleichen Waren wie für einen Euro in Europa.

Da die Amerikaner für einen Euro derzeit 1,34 Dollar auf den Tisch legen müssen, sind Waren aus der Währungsunion für sie vergleichsweise teuer. Die französische Regierung klagt deshalb seit Monaten, der starke Euro behindere den Export. Ministerpräsident Manuel Valls rief die EZB erst kürzlich zur Schwächung der Gemeinschaftswährung auf.

Karpowitz: „Naive Vorstellung“

Devisenexperte Karpowitz warnt: „Die Vorstellung, die Wettbewerbsfähigkeit dauerhaft über den Wechselkurs steigern zu können, ist naiv.“ Zwar könne eine Abwertung des Euro die Absatzchancen europäischer Waren auf dem Weltmarkt kurzfristig durchaus verbessern. Gleichzeitig müssten die hiesigen Unternehmen bei einer Schwächung der Gemeinschaftswährung aber mehr Geld für Vorleistungen aus dem Ausland bezahlen, langfristig stiegen mit der Inflation auch die Löhne. „Was hilft es dem Exporteur, wenn er im Ausland zwar mehr einnimmt, gleichzeitig aber seine Herstellungskosten steigen?“

Der EZB allerdings ist die Inflation derzeit zu niedrig . Dazu trägt nach den Worten ihres Präsidenten Mario Draghi auch der starke Euro bei, weil er die Importpreise drückt. Die Inflationsrate in der Eurozone liegt im Schnitt bei 0,5 Prozent, in einigen Krisenstaaten sinken die Preise sogar. Die EZB fürchtet, dass Verbraucher und Unternehmen sich auf einen dauerhaften Rückgang einrichten, größere Anschaffungen zurückstellen und damit tatsächlich einen für die Wirtschaft verheerenden Preisverfall auslösen könnten – eine Deflation also.

Deutsche Wirtschaft kann mit starkem Euro leben

Der Bundesverband für Groß- und Außenhandel sieht die Entwicklung des Euro-Kurses „relativ entspannt“. Entscheidend sei, dass Auf- und Abwärtsbewegungen berechenbar blieben, sagte ein Sprecher. „Schwierig sind heftige Schwankungen.“ Die Höhe des Wechselkurses sei dagegen nur einer von vielen Faktoren für den Exporterfolg. „Wenn keine Nachfrage da ist, was nützt dann ein schwacher Euro?“ Zudem seien viele deutsche Hersteller so spezialisiert, dass die Kunden auch bei einem hohen Euro-Kurs nicht einfach auf Alternativen umsteigen könnten. Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge ist das bei französischen Produkten allerdings anders – weshalb die Exporte dort empfindlicher auf den Wechselkurs reagieren.