Der Stuttgarter Finanzbürgermeister Michael Föll berät die Firma, die den Abbruch des Bahnhofsflügels vorbereitet.

Stuttgart - Dass es bei den Demonstrationen vor dem Nordflügel des Hauptbahnhofs Buhrufe und Pfiffe gegen OB Wolfgang Schuster (CDU) gibt, ist Normalität. Nun ist auch sein Stellvertreter, der Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) in die Kritik geraten. Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 hat den Demonstranten mitgeteilt, dass der Kämmerer in dem von der Stuttgarter Baufirma Wolff & Müller am 14. Juli gegründeten Firmenbeirat berufen wurde und hat ihm indirekt unterstellt, dem familiengeführten Unternehmen zum Zuschlag für den Abriss des Bahnhofsnordflügels verholfen zu haben.

Die Grünen wollen in einem Antrag fordern, dass Föll alle Geschäftsbeziehungen öffentlich machen soll. Der Erste Bürgermeister, der derzeit im Urlaub ist, hat den Korruptionsvorwurf als "völlig haltlos" bezeichnet. Die Vergabe des Rückbaus sei alleine Sache der Deutschen Bahn und die Stadt sei gar nicht beteiligt gewesen. Die Vergabe sei am 18. Mai erfolgt, zwei Monate vor der Konstituierung des Beirats. Albrecht Dürr, geschäftsführender Gesellschaft der Baufirma, sagte gegenüber der StZ, Föll sei "Anfang Mai" angesprochen worden, weil die Firmen-Holding ein Beratungsgremium mit "breitem Erfahrungshorizont" gründen wollte. Ihm gehören noch der VfB-Präsident Erwin Staudt, Fritz Berner vom Institut für Baubetriebslehre der Uni Stuttgart, Friedrich Stähler, ehemaliger Vorsitzender der Geschäftsleitung der Deutschen Bank, und Gerhard Wirth, Partner der Kanzlei Gleiss Lutz an. Es sei für ihn als Bürgermeister wichtig, "im direkten Kontakt zu hiesigen Unternehmen zu stehen", betonte Föll.

Föll erklärte mögliche Befangenheit


Andere Baufirmen berät er allerdings nicht. Die Nebentätigkeit, für die Föll laut Dürr eine "Aufwandsentschädigung im reduzierten Bereich" erhält, ist vom OB genehmigt worden. Notwendig erscheint sie allemal: So verlor Wolff & Müller 2007 nach einer Klage des Konkurrenten Züblin den Auftrag für Erdbauarbeiten des Klinikumneubaus wegen eines Formfehlers.

Mit Unverständnis ist im Rathaus die Nachricht aufgenommen worden, Föll habe wegen der privaten Beratungstätigkeit bei der Baufirma seinen dienstlich veranlassten Vorsitz im Vergabeausschuss der städtischen Wohnungsbautochter SWSG aufgegeben, deren Aufsichtsratsvorsitzender er aber weiter ist. Föll hatte dem Gremium erklärt, er verlasse den Ausschuss wegen "möglicher Befangenheit", ohne Namen zu nennen. Jetzt ist alles klar, denn Wolff & Müller bewirbt sich auch um Aufträge der SWSG. Derlei Sensibilität war der CDU früher fremd gewesen. So saß der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Alexander Kotz lange Zeit im Vergabeausschuss, obwohl er als Besitzer eines Handwerksbetriebs zu den großen Profiteuren von SWSG-Ausschreibungen zählt und regelmäßig wegen Befangenheit an der Entscheidungsfindung nicht mitwirken durfte.

Baufirma schuf Millionengrab


Pikant ist die Entscheidung Fölls, ausgerechnet Wolff & Müller exklusiv mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, auch wegen der Geschichte mit dem Mineralbad Cannstatt. Die Baufirma hatte es Anfang der 90er Jahre in Eigenregie erstellt und danach an die Stadt vermietet. Das Rechnungsprüfungsamt zog Jahre später ein vernichtendes Fazit: Für die Stadt war das Bad ein Millionengrab. Föll hatte dann seit 2007 mit dem Unternehmen über einen vorzeitigen Kauf der Einrichtung verhandelt, 2009 wechselte sie für 23,72 Millionen Euro den Besitzer. Die Kehrseite: Auf 3,3 Millionen Euro blieben die Stuttgarter Steuerzahler sitzen, weil der Bauherr nicht verpflichtet werden konnte, die eklatanten Mängel zu beseitigen.