Der Neubau der Experimenta hat die Handwerker an ihre Grenzen gebracht. Aber jetzt steht der Rohbau.. Noch bis 31. Juli hat die Wissensschau geöffnet. Im September zieht sie wegen des Umbaus auf ein Motorschiff – das später auf große Reise geht.

Heilbronn - Der Countdown läuft. Am 31. Juli hat die Experimenta in Heilbronn zum letzten Mal geöffnet. Weil dann der Umbau auch im bestehenden Gebäude beginnt, schließt die Wissensschau vorübergehend ihre Pforten – und bezieht in den folgenden Wochen ein neues, schwimmendes Domizil: Von September an ist die Experimenta auf einem Motorschiff auf dem Neckar beheimatet. Die MS Experimenta wird die Zeit überbrücken, bis das neue Science-Center auf dann 25 000 Quadratmetern Ausstellungsfläche im Frühjahr 2019 wieder eröffnet werden kann. Auf dem 104 Meter langen Schiff werden neben der Ausstellung auch zwei Labore für Schulklassen eingerichtet. Bevor die Experimenta baden geht, feiert sie am 22. Juli von 17 Uhr an mit einer langen Nacht den Auszug aus dem alten Ölsaatspeicher auf der Kraneninsel.

 

Schon jetzt gilt die Experimenta als Erfolgsgeschichte. Mit jährlich 100 000 Besuchern hatten die Planer kalkuliert. Tatsächlich kommen jedes Jahr deutlich mehr Menschen in die Heilbronner Innenstadt, um an über 150 interaktiven Exponaten Wissenschaft und Technik zu begreifen. Dabei schafft es die Schau offenkundig, ihre Besucher zu fesseln: Die durchschnittliche Verweildauer liegt bei viereinhalb Stunden.

Heilbronn hat die schwäbische Zurückhaltung abgelegt

Nach der Wiedereröffnung werden es vier Ausstellungswelten mit 270 Exponaten sein. Die Besucher – man rechnet dann mit 250 000 Gästen pro Jahr – können in so genannten Talentschmieden ihre Kreativität ausleben. Das technische Glanzstück wird der Science Dom, der unter anderem mit einem 700 Quadratmeter großen Kuppelbildschirm und einem drehbaren Zuschauerraum ausgestattet werden wird. Von dort aus kann man künftig in die Sterne schauen. Finanziert wird der Neubau von der Dieter-Schwarz-Stiftung, die traditionell zurückhaltend ist mit Angaben über Geld.

Ein Schnäppchen wird der Neubau nicht. Beim bestehenden Science Center habe man sich noch für eine zurückhaltend-schwäbische Architektur entschieden, sagt der Oberbürgermeister Harry Mergel. Davon kann bei der Experimenta II keine Rede mehr sein. Der spektakuläre Entwurf des Berliner Büros Sauerbruch und Hutton hatte die Ausschreibungsaufgabe einer Raum-Zeit-Spirale im Gebäude umgesetzt. Vor allem Franziska Schwarz, die Ehefrau des Stifters und Lidl-Gründers Dieter Schwarz, hatte sich während des Auswahlverfahrens für den wagemutigen Vorschlag stark gemacht. „Damit gehen wir bautechnisch an die Grenzen des Machbaren“, sagt der Architekt Matthias Sauerbruch. Der Rohbau ist fertig und schraubt sich auf fünf Etagen in den Himmel. Am Donnerstag wurde das Richtfest gefeiert.

Nur jeder sechste Schüler interessiert sich für Technik

Bis zur Eröffnung der Bundesgartenschau im April 2019 soll alles fertig sein. Der erste Gast steht schon fest. Die Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hat versprochen, dabei zu sein. Der Ministerin behagt es nicht, dass einer aktuellen Studie zufolge bundesweit nur 15 Prozent der Schüler sich für einen technischen Beruf erwärmen können. Dabei seien genau diese Bereiche der Motor der Wirtschaft“, sagt sie. „Wissenschaft begeistert, wenn ich sie erleben und anfassen darf“, insofern leiste die Experimenta einen wichtigen Beitrag. Nach 2019 „wird man Heilbronn bundesweit anders wahrnehmen“, dessen ist sich der OB sicher. „Wir arbeiten hart dafür, Heilbronn touristisch attraktiv zu machen“, sagt auch Wolfgang Hansch, der Experimenta-Geschäftsführer. Nach der Bundesgartenschau hat die Experimenta dafür eine Botschafterin. Die MS Experimenta soll dann den Heimathafen am Neckar verlassen und bundesweit für das Heilbronner Science Center werben.

Die Chronik einer Erfolgsgeschichte

September 2005
Der damalige Oberbürgermeister Helmut Himmelsbach (CDU)und sein Kulturbürgermeister Harry Mergel (SPD) schlagen vor, in dem seit Jahren leer stehenden Speicherhaus Hagenbucher eine Lern- und Erlebniswelt einzurichten.

Oktober 2006
Die Sponsorensuche war erfolgreich. Die Dieter-Schwarz-Stiftung, die Adolf Würth GmbH & Co KG, die EnBW AG, die GasVersorgung Süddeutschland GmbH und die Südwestdeutschen Salzwerke AG wollen das Projekt unterstützen. Der Gemeinderat stimmt der Einrichtung eines Science Centers zu. Die Arbeit am inhaltlichen Konzept beginnt.

6. Mai 2008
Die Stadt feiert den Spatenstich für die Experimenta.

14. November 2009
Die Experimenta wird eröffnet. Auf mehr als 7000 Quadratmetern werden 150 Experimentierstationen angeboten. Die Lernwelt ist kein Schnäppchen. Ursprünglich war von zwölf Millionen Euro die Rede. Bis zur Eröffnung hat das Projekt 30 Millionen Euro gekostet. Davon trägt die Dieter-Schwarz-Stiftung, die seitdem auch die Betriebskosten finanziert, 16 Millionen Euro. Den Rest bezahlen die Stadt und die anderen Sponsoren. Die Planer kalkulieren mit 100 000 Besuchern pro Jahr – im ersten Jahr kommen nur 65 000. Bald sind es mehr; schon kurz nach der Eröffnung wird über eine Erweiterung nachgedacht. 2016 sind es 182 000 Besucher.

März 2016
Das Büro Sauerbruch & Hutton international wird mit dem Bau der Experimenta II beauftragt. Im März 2016 können die Bauarbeiten beginnen. Archäologische Funde hatten den Beginn der Arbeiten verzögert. Pünktlich bis zur Eröffnung der Bundesgartenschau im April 2019 soll der Neubau fertig sein