Bei einem Spaziergang durch die Innenstadt ist unser Weinkolumnist Michael Weier erwartungsgemäß an einer Theke gelandet. Überraschend aber nicht an der Weintheke bei Feinkost Böhm, sondern bei den Smoothies!

Stuttgart - Ich treibe mich oft im Weinberg rum, manchmal aber auch in der Innenstadt. Beim Böhm zum Beispiel, meist um zu schauen. Und angesichts meiner genauen Beobachtungen habe ich schon ewig mit einer Verlängerung der Weinbar hinter dem Eingang gerechnet. Sosehr, wie sich die Halbhöhenlagenbewohner dort samstags um den Tresen drängen – das kann man den armen Leuten doch nicht mehr zumuten! Stattdessen hat sich das Feinkostgeschäft offensichtlich einer anderen Strategie besonnen. Die Nobelverkäufer füllen die Kundschaft nicht mehr nur mit Champagner und Chablis ab, künftig gibt es auch gesundes Gemüse zu trinken. Das ist eine ganz clevere Geschichte: Auf diese Weise bleibt auch die Kundschaft länger frisch.

 

Drinks namens Sweet and sour müssen schlichtweg lebenserhaltend sein. Weder Whiskey noch Zucker steckt da drin, sondern so viel Grünzeug, dass das Getränk die Farbe einer grünen Wiese hat. Mango steckt drin und Spinat und Basilikum und allerlei andere Dinge, die ich vergessen habe. Praktisch ist, dass die Leute von der Weinbar sich bei den Preisen nicht einmal sonderlich umgewöhnen müssen. Die 0,2-Liter-Vitaminbombe schlägt mit 5,50 Euro ein.

Als Weintrinker finde ich das natürlich erschütternd. Man kann sich schließlich nicht cool an eine Bar hinstellen und dann einen Milchshake aus einem Röhrle (wie wir Schwaben sagen) zu schlürfen! Denn nichts anderes sind ja die Drinks, die man heutzutage Smoothies nennt. Smoothies heißen sie, weil es sich um püriertes Obst oder Gemüse handelt – gemischt mit ein paar anderen Zutaten wie Haferflocken oder diesen mysteriösen Chia-Samen, die so reich an Omega-3-Fettsäuren sein sollen, dass man für 500 Gramm locker 9 Euro verlangen kann. Auf der Packung steht: laktosefrei, glutenfrei, vegan. Chia hat also alles, was der moderne Mensch braucht. Warum man bei Pflanzensamen auf die Packung schreiben muss, dass keine Milch drinsteckt, ist mir allerdings ein großes Rätsel.

Smoothies kommen natürlich aus Amerika – wie so viel Sinnvolles. Und nur Amerikaner können auf die Idee kommen, einen Smoothie zu machen. Eigentlich ist das ja was für Menschen, die zu faul sind, sich einen Spinat zu kochen oder sich einen Rucolasalat zu machen. So kann man alles mit ein paar Eiswürfeln in einen Mixer schmeißen. Fertig.

Als ich meiner 26-jährigen Nichte erzählt habe, dass ich das Mixen nun auch anfange, hat sie mir gesagt: Das macht sie schon länger. Meine Schwiegermutter sagte am Tag darauf: Sie habe damit schon wieder aufgehört. Auf Dauer sei das zu anstrengend. Vermutlich trinkt sie eben doch lieber einen Chardonnay.