Wein muss geschwefelt werden, damit er haltbar ist. So lautet die Lehrmeinung. Unser Weinkolumnist Michael Weier hat bei einem süffigen Experiment erfahren, dass das nicht unbedingt sein muss. Ein lustiger Trollinger vom Weingut Aldinger hält sich auch ohne Schwefel und sonst was sehr ordentlich.

Stuttgart - Früher war mein Slogan ganz eindeutig: Ist mir doch schnuppe, wie die Winzer den Wein machen. Entscheidend ist, wie er mir schmeckt! Wenn man sich dann aber, wie ich, etwas näher mit einem Produkt beschäftigt, lässt sich diese Haltung nur schwer durchs Leben behaupten.

 

Höhepunkte meiner Forschung im Auftrag der Leser der Flaschenpost waren mit Sicherheit die beiden Weinbergprojekte bei Christel Currle in Uhlbach und bei der Weinmanufaktur in Untertürkheim. Wein selbst machen, wenn auch unter der Anleitung (und der mit Unterstützung) der Profis, ist schon eine andere Sache. Wobei ich einen Punkt jeweils ausgeklammert habe, das Spritzen (Pflanzenschutz!) überlasse ich lieber Menschen, die in Chemie eine bessere Note gehabt haben als ich.

Also durfte ich Bio nicht auf die Flasche schreiben. Mein Freund Thilo, der für mich das Etikett entworfen hat, schrieb dafür mit sicherem Gespür fürs Marketing „handfiltered“ drauf. Was sinnentleert ist, allerdings sehr hübsch klingt. Wir hätten vielleicht „Vegan“ draufschreiben dürfen, da kein Eiweiß zur Klärung des Weins eingesetzt worden ist. Aber Weine, auf denen ich das Wort „Vegan“ lese, machen mir irgendwie Angst. Dennoch: Es gibt sie!

Nach diesem langen Anlauf nun zum eigentlich Thema: Als ich kürzlich beim Weingut Aldinger war, habe ich zwei Flaschen mit nach Hause genommen. Trollinger! Eigentlich war ja mein Plan, genau diesen Tropfen meinem Vater an Weihnachten einzuschenken, aber meine Vergesslichkeit steht meinen Plänen häufiger im Weg. Ich habe also eine gute, klassische Flasche Trollinger bei den Aldingers mitgenommen. Und eine mit einem rein weißen Etikett. Denn dieser Trollinger ist nicht einmal handfiltered. Der ist gar nicht gefiltert. Und nicht mit Zucker angereichert, chaptalisiert, wie das vornehmer heißt. Er ist auch nicht geschwefelt. Er ist nichts! Und deshalb heißt er Sine. Lateinisch für Ohne.

Matthias Aldinger hat mir die Flaschen mit besonderem Auftrag mitgegeben, ich musste sie über den Zeitraum von vielen Tagen trinken. Wer mich kennt, der weiß, dass das eine große Herausforderung ist. Aber ich habe sie bestanden. Immer schön einen kleinen Schluck aus dieser und dann aus der anderen Flasche. Fazit: Der ungeschwefelte Wein ist erstaunlich. Gut, mir schmeckt er auch noch viel besser als der traditionelle (sofern Tradition für die vergangenen fünfzig Jahre steht). Aber er hat sich vor allem gehalten, über Tage hinweg. Genau das darf ein Wein, der nicht geschwefelt wurde, eigentlich nicht. Denn schwefeln dient dazu, die Weine haltbar zu machen. Ohne geht nicht, das ist die Schulmeinung. Der Test zeigt: Im speziellen Fall geht das super. Trotz der Zufuhr von Luft hielten sich beide Weine gut. Bis am neunten Tag. Auf einen Schlag war der Sine ganz Ohne – und schmeckte mir nicht mehr, während der Klassiker noch ging. Aber da waren die Flaschen dann auch leer.

Am Ende bleibt: Ich ziehe noch einmal den Hut vor dem Sine, den es übrigens auch aus dem schwierigeren vergangenen Jahr geben wird. Und: Es macht sehr viel Spaß, ein bisschen tiefer in die Materie einzutauchen, zumal, wenn sie aus Wein besteht.