Es viele Möglichkeiten, der weihnachtlichen Besinnlichkeit zu entfliehen. Eindrücke von einer gut behüteten Whiskey-Verkostung und von der Eröffnung der Großraumdiskothek Marquardts mit mehr Laser und weniger Lametta.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Drei Tage Schweinebraten mit Soße am Stück, lästiger Besuch von der Erbtante und ein Familienstreit, der sich das ganze Jahr über angebahnt hatte. Oder drei Tage Einsamkeit, während alle anderen in den sozialen Netzwerken klebrige Familienbilder und Fotos von toll geschmückten Christbäume posten. Für viele ist Weihnachten ein Grund zur Flucht. Gut, dass es in Stuttgart am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag viele Möglichkeiten gibt, der Enge des eigenen Wohnzimmers zu entfliehen.

 

Am ersten Weihnachtsfeiertag verwandelte sich zum Beispiel die ehemalige Suite 212, die derzeit als Wintergarten zwischengenutzt wird, ehe hier ein Burger King einzieht, in eine Art Kaminzimmer mit elektronischer Beschallung. Benjamin Kieninger, Gebietsmanager beim Spirituosenriesen Beam Suntory, hat unter dem Motto „Mut zum Hut“ zum etwas anderen Whiskey-Tasting geladen.

Neue Entwicklung in der Getränkeindustrie

Beam Suntory ist nach Diageo und Pernod Ricard der drittgrößte Player der Alkoholindustrie. Die Firma schielt derzeit besonders auf den stetig wachsenden Markt,der exklusiven Bars, wie sie sich in Stuttgart etwa im Bermudadreieck jenseits der Hauptstätterstraße um das Paul & George, die Schwarz-Weiß-Bar und das Le Petit Coq angesiedelt haben. „Die Umsätze im Spirituosenhandel stagnieren einerseits seit Jahren, die Verbraucher sind aber auf der anderen Seite bereit, für besondere Produkte mehr Geld auszugeben“, erklärt Kieninger.

Damit setze sich eine Entwicklung fort, die in der Lebensmittelindustrie schon länger zu beobachten sei. „Genauso wie die Kunden wissen wollen, wo das Stück Fleisch beim Metzger herkommt, wollen sie auch eine Geschichte zu ihrem Whiskey erzählt bekommen“, sagt Kieninger. Im Wintergarten werden die Geschichten zu den Torfbomben an diesem Abend von zwei ausgesuchten Experten serviert: von Leo Langer, Geschäftsführer der Schwarz-Weiß-Bar Ludwigsburg und Julian Klotz vom Paul & George an der Weberstraße.

Weniger Whiskey, dafür mehr Discoschorle im Marquardts

Das ungewöhnliche Motto der Veranstaltung ist übrigens Benjamin Kieningers Hobby geschuldet. Gemeinsam mit seiner Partnerin Kathrin Burk betreibt er die Pachanga Hutmanufaktur, einen Hutkonfigurator im Netz, bei dem man sich individuelle Kopfbedeckungen anfertigen lassen kann. Selten lief eine Whiskey-Probe so gut behütet ab.

Weniger Whiskey dafür mehr Discoschorle, also Wodka Red-Bull, wurde bei der Eröffnung der neuen Großraumdiskothek Marquardts am Schlossplatz am zweiten Weihnachtsfeiertag konsumiert. Bereits um 23 Uhr hatte sich vor dem ehemaligen Village eine lange Schlage gebildet. Ein sehr junges Publikum hatte die Eröffnung der über 1000 Quadratmeter großen Unterwelt scheinbar zum Anlass genommen, der weihnachtlichen Besinnlichkeit zu entfliehen.

Das Marquardts ist eine Familienangelegenheit

Dabei ist das Marquardts selbst eine Familienangelegenheit. Betrieben wird es von Matthias Grohe, Urenkel von Hans Grohe, dem Gründer der Grohe-Dynastie, die dank ihrer Bad-Armaturen zu den wohlhabenderen Familien in Deutschland zählen dürfte. Seine Frau Katja kümmert sich um die 50 Angestellten der Diskothek. Die Töchter Jule und Theresa arbeiten hinter der Bar, während Sohn Lorenz mit dem hübschen DJ-Namen Explorenz für die Beschallung sorgt.

Über Geld spricht man nicht in diesen Kreisen, man hat es, also will Matthias Grohe auch nicht verraten, wie viel Geld der Umbau des ehemaligen Village gekostet hat. „Das Village war sehr heruntergekommen. Wir haben den Boden einen Meter abgetragen und versucht, mit den freigelegten Mauern an der Wand einen Industrielook zu schaffen, der im Kontrast zu modernster Technik steht“, so Grohe. Die Kosten für eine solch umfassende Renovierung gingen in die Millionen.

Früher war mehr Lametta, heute ist mehr Laser

Die Motivation für das Marquardts seien Grohes Kinder gewesen. „Mein Sohn ist als DJ erfolgreich, meine Frau und ich gehen selbst noch gerne weg. Da weiß man die Kinder doch lieber bei sich daheim“, so Grohe, der in Freudenstadt noch eine Brauergaststätte betreibt. Der Unternehmer hatte sich übrigens auch um die Bewirtung des Stuttgarter Ratskellers beworben. Von Grohe stammte die Idee, rund um den Brunnen und die Bäume am Rande des Marktplatzes einen Biergarten zu installieren. „Ich werde jetzt aber sicher nicht als Investor das Rathaus für die Stadt renovieren“, kommentiert Grohe die Pläne der Stadt, die geschätzten drei Millionen Euro Sanierungskosten für den Ratskeller von einem Investor tragen zu lassen.

Genug der Politik, Matthias Grohe muss sich in seiner Großraumdiskothek noch um das Licht an einem der DJ-Pulte kümmern – es gibt drei Floors unter Tage. Auf dem Retro-Floor scheut der DJ nicht, Hip-Hop-Klassiker und Euro-Dance aus den 90er Jahren zusammenzuführen. 90 Discokugeln blinken empört zum wilden Stilmix, während im nächsten Floor der Bass die Reste der Weihnachtsgans durchschüttelt. Die Lichtshow zum Beat der elektronischen Musik ist wirklich beängstigend und verleitet zur finalen Erkenntnis: Früher war vielleicht mehr Lametta. Heute ist aber ganz sicher mehr Laser.