Als Feindbild funktioniert der Schwabe in Berlin schon seit Jahren. Jetzt zieht Nordrhein-Westfalen nach: Der Weihnachtsmarkt vor der Düsseldorfer Dependance von Breuninger wurde erst als Schwabenmarkt verunglimpft und jetzt abgesetzt. Der Grund: er ist zu schön.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Düsseldorf - Aus Berlin war man ja so einiges gewohnt: Der Schwabe als Feindbild funktioniert zwischen Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Kreuzberg seit Jahren. Wie erst jetzt bekannt wurde, hat der Schwabe aber auch im schönen Düsseldorf einen schweren Stand. Genauer gesagt: gleich mehrere Stände, die in der Kritik stehen. Die Stuttgarter Agentur Liganova war einst von Breuninger nach Düsseldorf vermittelt worden, um auf dem dortigen Schadowplatz einen Weihnachtsmarkt zu organisieren. Der fiel aber durch, weil die mächtige Schausteller-Lobby in Nordrhein-Westfalen Angst vor der schwäbischen Konkurrenz hatte. Nach drei Jahren ist nun Schluss. Dieser Tage findet der Weihnachtsmarkt zum letzten Mal statt.

 

In Düsseldorf erfolgte deshalb ein kollektives Aufatmen, das bis nach Stuttgart zu hören war. Die Bild-Zeitung titelte schon vor zwei Jahren etwas vorschnell: „Düsseldorf schmeißt Schwabenmarkt-Macher raus!“ und fragte in der Unterzeile, die vermutlich an der längsten Theke der Welt gedichtet wurde: „Wird Weihnachten jetzt wieder schöner?“ Davon gehen wir aus. Am Ende des Weihnachtsmarktes vor der Düsseldorfer Dependance von Breuninger kann das aber nicht liegen.

Kaum Bezüge zu Baden-Württemberg auf dem Weihnachtsmarkt

Der als Schwabenmarkt geschmähte Weihnachtsmarkt sieht nämlich gut aus: Die Struktur der Stände gefällt, sie sind einheitlich und wirken nicht so zusammengewürfelt wie auf anderen Märkten. Inhaltlich unterscheidet sich der Markt kaum von anderen dieser Art. Zwei amerikanische Touristen äußern ihr Missfallen, allerdings nicht über die Buden, sondern über die Autos, die Tesla direkt neben Breuninger anpreist: „I don’t like electric cars, you have to charge them“, sagt der eine zum anderen. Stimmt, da war doch was. Neben Tesla lockt ein riesiger Apple Store die Weihnachtsmarktkunden und über allem thront das geschwungene Breuninger-Gebäude.

An der Ecke des Weihnachtsmarktes findet sich schließlich eine heiße Spur nach Baden-Württemberg, in die Schwarzwaldhütte, die damit wirbt, 2008 und 2011 als Glühweintestsieger in Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet worden zu sein. An den anderen Ständen gibt es Schmuck, Kunsthandwerk und Belgische Pralinen. Große Enttäuschung: man spricht Holländisch statt Schwäbisch, zumindest ein Großteil der Gäste. Und dann, endlich, Licht am Ende des Tunnels: Haucks Grillrestaurant mit dem Stammsitz in Düsseldorf-Rath verkauft das Hirschgulasch mit, Achtung, Spätzle. Wir bestellen vor Freude eine doppelte Portion. Und zwar nur Beilagen! Wer weiß, wann man das nächste Mal in den Genuss der Teigwaren in Düsseldorf kommt.

Der schwäbische Kulturimperialismus hat ein Ende

Mit der schleichenden Spätzleisierung Düsseldorfs ist nämlich jetzt Schluss. Die Bild-Zeitung zitierte bereits 2014 aus einer Aufsichtsratsitzung von Düsseldorf Marketing & Tourismus (DMT), in der diskutiert wurde, den Schwabenmarkt aus der Stadt zu jagen: Der „Lego-Optik im Reihenhaus-Stil und dem kühlen Neon-Look“ fehle „das warme Licht, Gemütlichkeit und Tradition“. Der schwäbische Kulturimperialismus müsse ein Ende haben. Die DMT müsse künftig unbedingt wieder selbst eine Glühwein-Druckbetankung organisieren („Unsere eigenen Leute haben Erfahrung und wissen, wie es geht“, noch einmal die Bild-Zeitung aus der DMT-Aufsichtsratsitzung.).

Am Ende durfte der Markt dann doch noch etwas länger bleiben, nun ist aber endgültig Schluss. Frank Schrader, Geschäftsführer der DMT, sagte vor zwei Wochen im Interview mit der Rheinischen Post: „Ich denke, es ist bei einem neuen Konzept nach Liganova wichtig zu beachten, dass die Besucher vor allem ein Weihnachtsgefühl wollen. Auch Menschen mit einer modern eingerichteten Wohnung stellen sich einen Weihnachtsbaum auf.“ Bei Liganova in Stuttgart will man die unchristliche Ausbotung in der Düsseldorfer Vorweihnachtszeit nicht weiter kommentieren. Auch Breuninger schweigt offiziell zum Kulturkampf vor der eigenen Haustüre.

Thomas Geisel, der Oberbürgermeister von Düsseldorf, ist vom Ende des Schwabenmarktes persönlich betroffen. Der SPD-Politiker ist Schwabe, er kam in Ellwangen auf der Alb auf die Welt. „Da auf dem Schwabenmarkt die mir vertraute Heimatsprache aber nicht gesprochen wird, stellt das Ende des Marktes für mich keinen Verlust von Heimat dar“, sagt Geisel augenzwinkernd. Übrigens: wenn Geisel seinen kulinarischen Heimathunger stillen will, kehrt er in der Nähe des Rathauses ein bei „Spatz Up – Spätzle & Friends“, dem ersten schwäbischen Imbiss in Düsseldorf. Ganz und gar lässt sich der Schwabe dann eben doch nicht aus der Stadt vertreiben.