Uli Hoeneß muss über die Feiertage nicht im Gefängnis bleiben. Der wegen Steuerhinterziehung verurteilte frühere Bayern-Präsident wird zudem bald als Freigänger in der Nachwuchsabteilung der Münchner arbeiten.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

München - Es gibt im deutschen Fußball gewiss keine zweite Nachwuchsabteilung, die von einer derart honorigen Garde angeführt wird wie das „Junior Team“ des FC Bayern. Zehn Mannschaften von der U 9 bis zur U 23 umfasst das Ressort Jugendausbildung der Münchner, deren Boss seit 2012 der ehemalige Nationalspieler und Chefscout des Clubs, Wolfgang Dremmler, 60, ist. Dremmler zur Seite stehen mit dem einstigen Linksverteidiger Michael Tarnat als Sportlichem Leiter sowie den früheren Profitrainern Heiko Herrlich (VfL Bochum) und Heiko Vogel (FC Basel) als Coaches der U 17 und der U 19 weitere ausgewiesene Fachleute.

 

Trotzdem ist man mit dem Ertrag der Talentschmiede an der Säbener Straße, in der einst Stars wie Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Thomas Müller, Owen Hargreaves, Holger Badstuber oder Toni Kroos geformt wurden, zuletzt nur mäßig zufrieden gewesen – immerhin war der Österreicher David Alaba im Juni 2010 der bisher Letzte, der aus dem 13 Zimmer umfassenden Jugendhaus des Clubs auszog, um in der Profimannschaft Karriere zu machen. In dem 18-jährigen Gianluca Gaudino befindet sich aktuell wenigstens ein weiteres Talent der FCB-Nachwuchsabteilung auf dem Sprung in die Bundesliga.

Doch gemessen an den Ansprüchen des mit mehr als 251 000 Mitgliedern größten Sportclubs der Welt, der seine Bedeutung auch auf einen Jahresumsatz von zuletzt 528 Millionen Euro stützt, sieht man in Bezug auf das eigene „Junior Team“ noch einiges an Entwicklungspotenzial. Also ist auch der aus der Nationalelf zurückgetretene Weltmeisterkapitän neugierig, welche neuen Impulse der Mann für das Nachwuchsleistungszentrum der Bayern mitbringen wird, dessen erster Arbeitstag für den 5. Januar avisiert ist: „Ich glaube, dass er in der Jugendabteilung sehr viel bewegen wird. Wir können da alle sehr gespannt sein“, sagt der derzeit verletzte Philipp Lahm über die Rückkehr des ehemaligen Spielers, Managers, Präsidenten und Aufsichtsratschefs in den Kreis seiner „Bayern-Familie“, der Uli Hoeneß nach eigener Aussage ja dienen will, „solange ich lebe.“

Gute Führung verschafft Hoeneß erste Lockerungen

Seine Haft in der Justizvollzugsanstalt Landsberg hat Hoeneß, der im März vom Landgericht München II wegen Steuerhinterziehung von 28,5 Millionen Euro zu drei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt wurde, am 2. Juni angetreten. Weil sich der Fußballfunktionär, Wurstfabrikant und Finanzjongleur in der JVA dem Vernehmen nach gut führte, werden erste Lockerungen greifen, die das bayerische Strafvollzugsgesetz nach einem Minimum von sechs Monaten Haft vorsieht.

So soll Hoeneß, der bereits zweimal einen mehrstündigen Tagesausgang genehmigt bekam, mittels Hafturlaub Weihnachten und Silvester im Kreise der Familie in seinem Haus am Tegernsee verbringen dürfen, Übernachtungen offenbar inklusive. Mit Beginn des neuen Jahres dürfte der 62-Jährige, der am 5. Januar Geburtstag hat, dann in der Außenstelle Rothenfeld am Ammersee in den Kreis der Freigänger aufsteigen. „Ab Anfang Januar kommt er zum ersten Mal her“, kündigte der Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge an, der sich mit dem alten Kumpel wieder allzu gerne „Wetzen und Fetzen“ will: „Denn am Ende haben wir immer eine tolle Lösung gefunden.“ Voraussetzung für diese Art der Hafterleicherung ist ein festes Arbeitsverhältnis, das Hoeneß mit seinem Job tagsüber in der Nachwuchsabteilung der Bayern ja vorzuweisen hätte.

Freigänger Hoeneß muss bis 18 Uhr zurückkehren

Gegen 18 Uhr müsste er dann zum Schlafen wieder in Rothenfeld einrücken. „Der Vertrag ist aufgesetzt, und jetzt hoffen wir, dass er ab Januar hier anfangen kann“, sagt Karl Hopfner, der seit Mai diesen Jahres der Nachfolger von Hoeneß im Amt des Präsidenten ist. Dabei dürfe der gefallene Bayern-Patron, so Hopfner, seinen Arbeitsalltag als einfacher Angestellter des Clubs nicht selbst definieren. „Das muss ja alles formal geregelt sein für die Justizbehörden. Die Tätigkeit wird protokolliert – und es gibt Anwesenheitspflichten“, sagt Hopfner.

Immerhin kann man in Sachen Resozalisation beim FC Bayern bereits auf einen Erfahrungsschatz verweisen: Schließlich hatte der ehemalige Innenverteidiger Breno, der im September 2011 seine Mietvilla im noblen Grünwald angezündet hatte und der wegen schwerer Brandstiftung zu drei Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt wurde, ebenfalls als Freigänger in der Nachwuchsabteilung als Co-Trainer der U-23-Mannschaft des Rekordmeisters angefangen. Das war erst 13 Monate nach dem Haftantritt im August 2013.

Nach Verbüßung von zwei Dritteln seiner Strafe ist Breno nun auf Bewährung frei. Während seine Zeit hinter Gittern am 20. Dezember endete und er mit der Familie tags darauf ins heimische São Paulo flog, wo der FC an dem 25-Jährigen Interesse zeigt, ist Uli Hoeneß längst noch kein freier Mann. Frühestens nach Ablauf der Hälfte seiner 42-monatigen Strafe, also im März 2016, könnte auch der Fußballpatron die Gefängnistore endgültig hinter sich lassen.

Der FC Bayern hält alle Optionen offen

Beim FC Bayern jedenfalls ist man schon jetzt auf sämtliche Eventualitäten einer Rückkehr vorbereitet: Noch bis 2016 ist Hopfner („Zunächst muss er mal sagen: Was will er? Er hat es mir noch nicht gesagt“) als Bayern-Präsident gewählt. Gegen den Vorgänger antreten, das wird der langjährige FCB-Finanzvorstand auf keinen Fall. Wird es also eine zweite Ära des Präsidenten Uli Hoeneß geben, der bereits angekündigt hat, sich jedem Urteil der Mitglieder über seine Zukunft zu stellen?

„Das war es noch nicht!“ – das hatte der Welt- und Europameister bei seinem letzten Auftritt in der Bayern-Manege kurz vor seiner Inhaftierung den Kritikern ins Stammbuch gebrüllt. Aber ist der an Bluthochdruck leidende Uli Hoeneß nach seiner Zeit in der Einsamkeit von Zelle 108 der Krankenstation von Landsberg, wo er ohne Laptop und Handy, aber mit einem Trimm-Dich-Rad einsitzt, noch derselbe scharfzüngige, streit- und unternehmungslustige Fußballmacher geblieben?

Weil er sich von der Landespolitik um den Ministerpräsidenten Horst Seehofer im Stich gelassen fühlt, hat seine Frau Susi dieser Tage seinen Bayerischen Verdienstorden in der Staatskanzlei zurückgegeben. Körperlich ist die Zeit in der JVA auch nicht spurlos an dem Frontmann Hoeneß vorbei gegangen. Stolze 18 Kilogramm, das berichtete der alte Spezi Franz Beckenbauer bereits nach einem Besuch Ende Oktober, habe „der Uli“ bereits abgenommen.