Der Kreis Calw will die Zugstrecke bis nach Renningen führen und hält dies für wirtschaftlich. Dagegen gibt es aber Widerstand, weil die Strecke überlastet werden könnte. Das Projekt würde zwischen 44 und 48 Millionen Euro kosten.

Weil der Stadt - Die Sichtweisen könnten kaum unterschiedlicher sein. Während im Calwer Landratsamt Euphorie herrscht und von einem Durchbruch für die Hermann-Hesse-Bahn gesprochen wird, gibt es im Kreis Böblingen, vor allem in Weil der Stadt und Renningen, massive Zweifel und Skepsis. Das reicht bis zu der Drohung, dem Bahnprojekt Grundstücke zu verweigern. Zankapfel ist die Frage, ob die Bahn von Calw bis Weil oder bis nach Renningen fahren soll. Damit stehen oder fallen aber wohl die Chancen des Projektes.

 

Beginnen wir mit der Calwer Sichtweise. Der dortige Landrat Helmut Riegger hat nach langen Verhandlungen nun eine Berechnung vorgelegt, wonach die Reaktivierung der alten Schwarzwaldbahn wirtschaftlich sein soll. „Die Landesregierung verlangt eine Untersuchung der Wirtschaftlichkeit“, erklärt Rieggers Sprecher Thiemo Stock. Dabei geht es um den Kosten-Nutzen-Faktor. Liegt dieser über dem Wert von 1,0, gibt es eine Förderung.

Faktor: 1,15

Lange hat man auf diese Zahlen gewartet, nun sind sie da. Für eine elektrifizierte Hermann-Hesse-Bahn liegt der Faktor bei 1,15, also ganz knapp darüber, für Dieseltriebwagen bei 1,38. Die erste Variante würde 48 Millionen, die zweite 44 Millionen Euro kosten. Anders als früher übernimmt das Verkehrsministerium nur noch 50 statt 75 Prozent der Kosten für den Bau. Und: „Nur wenn wir bis Renningen fahren, ist die Bahn wirtschaftlich“, sagt nun der Calwer Landrats-Sprecher Stock. In Weil der Stadt umzusteigen, sei zu unattraktiv.

Genau dies allerdings fordern nun die Rathauschefs von Weil und Renningen, Thilo Schreiber und Wolfgang Faißt. Und damit sind wir bei der hiesigen Sichtweise. „Wir stehen zur Hermann-Hesse-Bahn, aber nur mit der Endstation Weil der Stadt“, erklärten beide Bürgermeister unisono. Dafür führen sie eine Reihe von Gründen an. Der wichtigste ist wohl, dass es auf der bis Malmsheim nur einspurigen Strecke ziemlich eng werden würde.

„Wir hätten bis zu zwölf Verbindungen in der Stunde“, rechnet Schreiber vor. Faißt fürchtet, der Betrieb der S 6 könnte erheblich gestört werden, vor allem wenn ein Zug einmal Verspätung hat. Diese Sorgen teilt auch Jürgen Wurmthaler, der Infrastruktur-Direktor des Regionalverbandes: „Es würden vier S-Bahnzüge und zwei Hesse-Bahn-Züge in beiden Richtungen verkehren, das wäre fast alle fünf Minuten einer.“ Die Pünktlichkeit der S-Bahn stehe in der Kritik, da wolle man keine neuen Konflikte.

„Wir planen mit beiden Varianten“

Aber auch der Dieselbetrieb durch Wohngebiete stößt sauer auf. „Die Bahn würde nicht einmal in Malmsheim halten, aber direkt an Häusern vorbeifahren“, sagt Wolfgang Faißt. Welche Variante zum Zug kommen soll, lässt man in Calw noch offen. „Wir planen mit beiden Varianten, müssen uns aber in den nächsten Wochen entscheiden“, sagt der Sprecher Thiemo Stock. Er kann die Kritik nicht nachvollziehen: „Wir haben das durchgerechnet und sehen keine Gefahr für die S-Bahn-Verbindung.“

Diese Aussage reicht dem Regionalverband allerdings nicht. „Wir brauchen einen richtigen Stresstest“, fordert der Direktor Jürgen Wurmthaler, „nur der Fahrplan alleine reicht nicht.“ Immerhin sagt er klar: „Die S 6 zu verkürzen, kommt für uns nicht infrage.“ Der Weiler Schultes Thilo Schreiber findet indes weitere Kritikpunkte. So soll ein teurer Tunnel von Weil durch den Hacksberg nach Ostelsheim gebaut werden, um die länger dauernde Schienen-Schleife um den Berg zu umgehen.

Der Böblinger Landrat Roland Bernhard will vermitteln: „Wir stehen zur Reaktivierung der Hesse-Bahn.“ Allerdings habe die Schönbuch-Bahn Vorrang. Er schlägt vor, zwei Abschnitte zu bilden, und erst einmal den Abschnitt bis Weil der Stadt zu realisieren. Vielleicht sogar mit den Dieselwagen der Schönbuch-Bahn, wenn diese elektrifiziert werde. Auch Bernhard betont: „Für uns ist am wichtigsten, dass die S 6 nicht gefährdet wird.“

Der Renninger Bürgermeister Wolfgang Faißt greift zu deutlichen Worten: „Wir stellen das Grundstück am Bahnhof für die Hesse-Bahn nicht zur Verfügung.“ So weit kann und will Thilo Schreiber nicht gehen. Denn im Vertrag der alten SchwarzwaldBahn ist festgelegt, dass die Kepler-Stadt bei Reaktivierung der Schiene eine Brücke über die Südumgehung bauen muss. „Dazu stehen wir“, sagt Schreiber.

Aus dem Stuttgarter Verkehrsministerium gibt es zwar Lob. „Es ist ein Projekt, das dem Minister sehr am Herzen liegt“, sagt der Sprecher Edgar Neumann. Aber der Fördertopf sei bis 2019 überbucht, daher könne man keine Zuschüsse zusagen.