Drei Zentimeter Holz sind abgesägt, der Zunftmeister fällt um und auch Männer können tanzen. Das sind die Nachrichten von der Narrenmesse und vom Zunftball.

Weil der Stadt - Ein Ort der Zucht und Ordnung soll der kleine Weiler Weil sein, auch wenn das niemand mehr so genau zu bestätigen vermag, seit sich die Stadt zwischen 1280 und 1420 hinter ihre große Stadtmauer zurückgezogen hat. Ob sie da ob des Alters mittlerweile Inkontinenz aufweist? „Manchmal darf sogar ich nach Weil der Stadt“, erklärt Annegret Eberhard, eine Merklingerin – und strahlt. Geschminkt an Kopf, Körper und Geist, erwartungsfroh in Sachen Ball-Stimmung und vollbepackt mit allerlei Tanzbeinen sitzen sie und ihre 500 Gesinnungsgenossen in der Weiler Stadthalle.

 

„Die Halle ist schon voller Schweiß / hier ist es richtig heiß“, konstatiert der Zunftmeister Daniel I. Kadasch höchst selbst, als er die Halle betritt. Damit bestätigt er die Wahrnehmung, dass die Weil der Städter mittlerweile nicht mehr ganz dicht sind. Aber wer will das in der fünften Jahreszeit auch sein, wenn hier in der Hochburg die Zunft-Mit- und ohne Glieder und ihre Gäste in Form von Clowns, Einhörnern und Waldratschen ihre Existenz zelebrieren.

Singen, Bohren, Sägen

Oder in Form von Holz. „Ich und mein Holz, ich und mein Holz“, singen deshalb auf der Bühne die Mannen und die Dame vom Wagenbau. „Holzi, Holzi, Holz. Holzi, Holzi, Holz.“ Wagenbau-Sänger Eric Frey und seine Kameraden rappen die Halle, wie sie es nur können, weil sie es in ihrer Werkstatt offenbar auch sonst immer nur in diesem Rhythmus tun. Singen, Bohren, mit der echten Motorsäge drei Zentimeter eines Holzstammes absägen – ein orchestrales Gesamtkunstwerk, das der Wagenbau da auf die Bühne legt. Wer will da dem auf diese Weise zusammengebastelten Papp-Zunftmeister Daniel übel nehmen, dass er anschließend nach hinten runterklappt?

Oder an den beschaulichen Hort der Zucht und Ordnung denken, also das, was sich ziemt? „Sich ziemen“ jedenfalls ist im Althochdeutschen verwandt mit der „Zumft“, bzw. der „Zunft“. Diese Überlegungen dürften die Weiler Narren (nicht) angestellt haben, als sie vor langer Zeit den „Zunftball“ ausriefen. Und immer noch mit dem Ergebnis zufrieden sind.

Ein Lob an das Team

„Super Stimmung, oder?“, ruft Kerstin Aldinger dem Reporter zu. Sie ist eine der beiden „Hallendompteusen“, den Fleißigen also, die den Zunftball und zwei Wochen später auch den Hexenball auf die Beine stellen. „Im November setzen wir uns schon zusammen“, berichtet sie, wobei ihr etwa zehn Leute zur Seite stehen. „Das Team ist toll, ohne das würde es nicht gehen.“

Ein Dutzend Programmpunkte haben sie zusammengestellt, mit jedem Punkt ist das Publikum begeisterter. Sogar Annegret Eberhard, die Merklingerin. „Ich war davor sogar in der Narrenmesse“, bringt sie zu ihrer Entschuldigung an. „Da hab ich mir die richtige Gesinnung abgeholt.“ Denn seit Anton Gruber der katholische Stadtpfarrer in Weil ist, gehört dieser Programmpunkt zum zünftigen Zunftball dazu, wo in der Stadtkirche ebenfalls alles links herum singt, die Ministranten sich in ihren Kleidern aus Versehen vertan und die Hochgebete am Altar selbstverständlich gereimt sind.

„Das Törichte in der Welt hat Gott erwählt“, lesen sich die Narren bei der Narrenmesse aus Paulus’ erstem Korintherbrief vor, eine höhere Legitimation für viel Spaß mit viel Geist braucht da wirklich niemand mehr. Beim Zunftball gibt es schließlich noch mehr von Hallendompteuse Kerstin Aldinger ersonnene Höhepunkte zu bestaunen.

„Ich hatte noch eine Idee“, sagt sie beim Hintergrundgespräch danach und lächelt noch ein bisschen verschmitzter. Weil der Stadts schönste Frauenbeine vom AHA-Ballett tanzen seit Jahren ihren traditionellen Tanz – aber hat Weil der Stadt nicht auch schöne Männerbeine zu bieten? Kein Problem, „Diamonds Are a Girl’s Best Friend“ rein in den Plattenspieler, das AHA-Ballett ab auf die Bühne und die Herren vom Siebenerrat hinterher. Fertig ist die burleske Welt-Urpremiere, die die Zunftball-Moderatoren Timon Hiller und Ann-Cathrin Ochs ankündigen können.

Auch die Merklinger dürfen mitfeiern

Was für eine Show, die nur noch die Zigeuner mit ihrer Achterbahnfahrt komplett machen. Wer das nicht anerkennt, wird nach Merklingen ausgewiesen – oder feiert einfach doch mit. So wie Annegret Eberhard, für die übrigens ihre beiden Ur-Weil der Städter Freunde Sabine und Uwe Walter gebürgt haben.

„Schon mein Vater hat auf so einem Zunftball gespielt“, erklärt Uwe Walter, der gehört zum Jahreskalender also einfach dazu. Für Zucht und Ordnung ist am nächsten Morgen schließlich noch genügend Zeit. „Ordnung ist das halbe Leben“, weiß der Volksmund zwar. Aber dann gibt es ja auch noch die andere Hälfte.