Christofer Kochs zeigt seine Gemälde und Plastiken in einer Ausstellung in der Wendelinskapelle. Er ist auch ein leidenschaftlicher Musiker. Er sieht in Musik und Kunst den gleichen Impuls: Es entsteht etwas aus vielfältigen Verschränkungen und Beziehungen.

Weil der Stadt - Das Kunstforum hat erneut zu einer Vernissage in die Wendelinskapelle eingeladen, die seit Längerem gern genutzter Schauplatz kultureller Aktivitäten des Vereins ist. Dieses Mal sind Arbeiten von Christofer Kochs zu sehen. Der Titel „Resonanzboden“ weckt Assoziationen an Musikalisches – und das ist durchaus gewollt. Etwas zum Schwingen bringen, zum Wiederklingen im lateinischen Wortsinne (Re-sonanz) ist das Thema und das zentrale Motiv der ausgestellten Kunstwerke.

 

Das zahlreiche Publikum steht sinnierend vor den Bildern, die sich dem leichten Konsum entziehen. Auffällig ist das Material: gefaltete Oberflächen, Zerschnittenes und wieder Zusammengesetztes, reliefartige Linien. Dankbar wird daher das Gespräch zwischen Clemens Ottnad vom Künstlerbund Baden-Württemberg mit Christofer Kochs aufgenommen, das Motive, Ziele und Techniken des Künstlers in den Mittelpunkt rückt.

Was bringt die Bilder zum Klingen?

Kochs ist nicht nur bildender Künstler, sondern auch leidenschaftlicher Musiker: Schlagzeug, Klavier – und singen kann er auch noch. Er sieht in Musik und Kunst den gleichen Impuls: Es entsteht etwas aus vielfältigen Verschränkungen und Beziehungen. Deshalb auch der Titel „Resonanzboden“. Was bringt die Bilder zum Klingen? Dabei sei sein Verfahren nicht beschreibend, sondern assoziativ. Es entsteht ein Wechselspiel zwischen Bild und Betrachter, eine Schwingung. Noch nie, führt Kochs aus, habe es so viele Bilder gegeben wie heute in der digitalen Welt – deshalb sei die Halbwertzeit von Bildern extrem gesunken. Diese Bilder seien aber alle nur flache Oberflächen, man könne sie nicht „be-greifen“. Seine Oberflächen dagegen seien bewusst griffig, gefaltet und deshalb spürbar. Thematisch orientiere er sich an archaischen Strukturen.

Ein Bild präsentiert Figuren, verzichtet aber bewusst auf eine Perspektive, und jede schaut in eine andere Richtung. Sie ruhen in sich, ein melancholischer Moment: Erinnerungen, Erfahrungen, die sich in der Retrospektive zu einem Leben verdichten – oder auch nicht. Wo gab es Lebensentscheidungen, die zu Koordinaten des Lebens wurden? Die Verschränkung von Wirklichkeiten bildet eine neue Wirklichkeit.Nicht zufällig nennt der Künstler sein Atelier „heile Welt“ und weiß um den Luxus, in einem Raum zu arbeiten ohne Reglementierung von außen.. Die Frage, ob er seine Arbeit als „gesellschaftskritisch“ verstehen wolle, verneint er: Er habe zwar eine „Haltung“, aber nicht in seinen Bildern.

Nach dem Gespräch weiß das Publikum mehr und ist mutiger, die Bilder eigenständig zu interpretieren. Der Mann im Fadenkreuz, der hilfesuchend nach der Strickleiter greift: Eine Illustration zu Franz Kafka oder am Ende Edward Snowden? „Der Sprung aus der Zeit“ – wo führt er hin: in den Tod oder in die Freiheit? Die Skulptur „Freidrehen“ stellt eine Frauengestalt dar, deren Mitte ausgespart bleibt. Hat sie ihre Mitte verloren? „Im Angesicht des Augenblicks“ ist der Titel einer Figur, die in eine Energiesäule blickt. Eine kippelige Stelle im Leben?

Zurückgenommner Gestus des Reflektierens

Bei den Bildern ist es gerade nicht die plakative, schrille Botschaft, sondern ein sehr zurückgenommener Gestus des Reflektierens, Abwägens und auch des Zögerns. Für Kochs ist nichts im Leben alternativlos, es ist eher die Fülle der Möglichkeiten, die verunsichert: Ist dieser Weg der richtige oder doch der andere? Fragen, die letztlich keiner beantworten kann.

Das Publikum steht in Grüppchen vor den Bildern und diskutiert Interpretationsansätze. Gerade die unerschöpfliche Vielfalt möglicher Deutungen ist gewollt und wird von den Besuchern als „Öffnung im Kopf“, als Wahrnehmung von anderen Perspektiven, erkannt und geschätzt. In Kochs Bildern erschafft der Betrachter die Bilder selbst, indem er seine Erinnerungen und Erfahrungen auf die Sujets projiziert.