Seit 25 Jahren begleiten die Ehrenamtlichen vom Hospizdienst sterbende Menschen.

Weil der Stadt - Plötzlich geht es ganz schnell. Der Vater wird krank, liegt im Sterben. Die beiden erwachsenen Söhne sitzen neben ihm, sehen den sterbenden Menschen, der unruhig ist, mit sich ringt. „Ich erinnere mich gut an diese Personen“, sagt Viola Sautter. „Bis um ein Uhr in der Nacht war ich bei ihnen.“

 

Wie ist das, wenn jemand stirbt? Wie geht man damit um? Was spricht man da und mit wem? Alle wissen um den Tod – in der Theorie. Aber wenn er bei einem nahen Angehörigen anklopft, ganz konkret wird, dann tauchen die Fragen auf. Deshalb gibt es Ehrenamtliche wie Viola Sautter und ihre etwa 25 Kollegen vom Hospizdienst Weil der Stadt. „Alle haben Angst vor dem Thema Tod“, hat auch Iris Schell festgestellt. Sie ist die hauptamtliche Leiterin der Einrichtung. „Wir können ein wenig dazu beitragen, die Dinge auszuhalten.“ Dafür gehen sie und die Ehrenamtlichen zu den Sterbenden nach Hause oder ins Pflegeheim, haben Zeit für Gespräche mit den Schwerkranken, den Sterbenden und den Angehörigen.

Unsicherheit, Fragen, Hilflosigkeit

Und da gibt es vieles, wenn das Leben sein Ende ankündigt. Vor allem bei den Angehörigen. Unsicherheit, Fragen, Hilflosigkeit. „Ich hatte das Gefühl, dass ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll“, erinnert sich Viola Sautter. Vor elf Jahren war das, da lag ihr Schwiegervater im Sterben. Mit all diesen Fragen in den Augen sah sie schließlich eine Anzeige des ambulanten Hospizdienstes. „Ich hab’ das immer schön gefunden, wenn Leute mich in dieser Zeit angesprochen und nicht weggeschaut haben“, sagt Viola Sautter. Und genau das wollte sie von nun an auch machen, als ehrenamtliche Hospizbegleiterin.

Eine umfangreiche Ausbildung durchlaufen in Weil der Stadt alle, die sich mit dieser Arbeit engagieren wollen. „Das zeigt, dass wir uns ernsthaft mit dem Thema Sterben auseinandersetzen“, erklärt Eva Gutzan. Sie ist Vorstandsmitglied des Vereins, in dem der Hospizdienst organisiert ist. „Wie geht man auf Menschen zu, die oft nicht mehr sprechen können? Das lernen wir zum Beispiel in dieser Ausbildung“, sagt Eva Gutzan. Sie selbst ist schon seit mehr als zehn Jahren dabei.

„Mich haben Grenzerfahrungen gereizt“, erklärt sie. Von all diesen ist der Tod wahrscheinlich die größte – und die Auseinandersetzung mit ihm lohnt sich. Das hat Eva Gutzan in all den Jahren festgestellt. „Ich beobachte oft, dass der Tod am Ende eines erfüllten Lebens auch eine Erlösung sein kann“, sagt sie. Denn, wenn es vorbei ist, dann hat ein jeder sein Leben gemeistert – und auch die Begleiter können dann ein kleines Stück von der Essenz des jeweiligen Lebens für sich mitnehmen.

„Seit ich das mache, spüre ich auf jeden Fall viel mehr Bewusstheit, Achtsamkeit und Dankbarkeit in meinem eigenen Leben“, berichtet Eva Gutzan. Geht es mit dem Leben dem Ende zu, sind es meist Ärzte oder Pfleger, die auf den Hospizdienst aufmerksam machen. Leiterin Iris Schell führt dann mit jedem Patienten zunächst ein Erstgespräch, achtet auf Wünsche und Bedürfnisse, und überlegt, welcher der Ehrenamtlichen passen könnte. „Es ist ganz unterschiedlich, was die Menschen dann brauchen“, hat sie festgestellt.

Stundenpläne werden gemacht

Oft ist es einfach nur wichtig, dass jemand da ist, besonders abends, wenn es dunkel wird. Richtige Stundenpläne erstellt sie dann zum Teil, wer wann wohin geht. „Das wichtigste ist, dass wir mit allen Ehrenamtlichen in ständigem Kontakt sind“, sagt sie. Was hat wer erlebt, wie geht man mit welcher Situation um? Fragen, die vor genau 25 Jahren noch niemand beantworten konnte. Damals war es Hilda Röder, die ihre Mutter beim Sterben begleitete und nach Unterstützung suchte – vergeblich. „Das war ein Schlüsselerlebnis“, sagt Hilda Röder heute. Ein Erlebnis, das sie 1991 schließlich zusammen mit Christa Mandel die Weil der Städter Hospizgruppe gründen ließ. Es war damals die erste im Kreis Böblingen, und die beiden Frauen mussten Basisarbeit in Sachen Ausbildung, Strukturen und Leitung einer solchen Hospizgruppe leisten. Finanzierung und Spenden, die Vernetzung vor Ort – alles musste aufgebaut werden. Heute ist es ein dichtes Netz aus Krankenkassen, Landratsamt und Stadtverwaltung, das die Arbeit zumindest finanziell absichert. „Wir sind keine Experten für das Sterben“, stellt die Leiterin und Pädagogin Iris Schell klar. „Es ist bei uns im Grunde nur die Bereitschaft, sich auf ein Thema einzulassen.“

Ein Thema, das auf alle früher oder später zukommt, nicht nur auf die beiden erwachsenen Söhne, die Viola Sautter neulich zuhause begleitet hat. Im Altenheim kann man zur Not auch um 23 Uhr noch nach der Schwester klingeln, aber daheim? Der Vater war schließlich so unruhig. „Die beiden Söhne waren einfach nur froh, dass noch jemand da war“, erinnert sich Viola Sautter. „Die haben mich gebraucht.“

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