Die Fasnet in Weil der Stadt zieht Narren aus dem ganzen Ländle an. Warum sogar die Bremer Stadtmusikanten in die Keplerstadt gekommen sind, und wie das mit den Mützen ist: hier die Antwort.

Weil der Stadt - Wenn das Städtle für die stinkenden Autos abgeriegelt, die Lautsprecher für die Fasnets-Welthits installiert und die Augen der Zuschauer auf die Umzugsstrecke gerichtet sind, dann fehlt nur noch – wichtig – eine Mütze. Nein, kalt wird’s nicht, am Sonntag – und die Ohren haben’s eh mit Brass-, Narren- und Guggamusik zu tun, als sich von Gestricktem bedecken zu lassen.

 

Aber all die Leckereien, die da über Weil der Stadt abregnen, brauchen eine adäquate Erstaufnahmestelle. Genau 66 Wagen und Gruppen schnaufen beim Großen Umzug die Stuttgarter Straße runter und die Paul-Reusch-Straße rauf – natürlich vollbepackt mit Süßem und süß Vergorenem. „Ich seh schon, da hilft nur noch ein Korn“, diagnostiziert etwa Josef Weber, „am besten ein Winterkorn!“ Unter dem Motto „Stimmt des Gas ned, prüft die Fasnet“ sorgen er und seine blau bekittelten Mannen für die saubere Fasnet, messen Abgaswerte (mit dem Meterstab) und säubern die Weiler Luft (mit der Nebelmaschine). Ein richtiges, kleines Auto haben sie dafür auf ihren Wagen geladen.

Die selbst- und ehrenamtlich gebauten Wagen sind – wie immer – die Spezialität. Exakt 14 davon sind wieder nagelneu und rollen beim Großen Umzug mit. Aber nicht nur das, auch auf den Wagen wird gerollt. „Ich bin der Rennfahrer“, erklärt der Dominik und klettert wieder auf seinen roten Bobbycar.

Formel-1-Zirkus in der Keplerstadt

Ab geht’s, im Kreis über den Heckengäu-Ring, in Richtung Großer Preis von Weil der Stadt. „Weil es in Deutschland keine Formel 1 mehr gibt, hat die Fasnet keine Kosten und Mühen gescheut, sie nach Weil der Stadt zu holen“, weiß Harry Grunwald, einer der Wagenbauer, der ganz oben, vom Richterstuhl, nach dem Rechten schaut.

Elinor schaut dagegen, wann endlich mal wieder Hexen vorbeikommen. „Die liebe ich“, sagt sie, „die machen viel Quatsch.“ Schon seit sie ein kleines Baby ist, kommt die Achtjährige daher zum Weiler Umzug, zusammen mit Mama und Oma. „Und fünfmal in meinem Leben haben sie mich schon mitgeschleppt“, hat sie gezählt.

Die Chancen dafür stehen auch heuer nicht schlecht. Aus Musberg etwa sind die Siebenmühlental-Hexen angereist, aus Rottenburg die Rammertweible und Höhlsteinhexle und aus Tübingen die Neckarhexa und Georgsdeiffel – zusammen mit einem Geheimnis. „Unter unseren Neckarhexa-Masken stecken tatsächlich nur Frauen“, verrät Georgsdeiffel Bernd. „Das sind nämlich die schöneren Hexen.“ Mit 35 Leuten sind sie nach Weil gekommen – aus gutem Grund. „Es gibt Umzüge, da schaut kaum jemand zu“, sagt Deiffel Micha. „Hier in Weil der Stadt ist das Gegenteil der Fall. Hier lebt die Fasnet.“

Und ob hier jemand zuschaut. Quasi nirgends auf der Umzugsstrecke gibt’s Lücken in den Rängen, überall schauen bunt bemalte Gesichter aus den Logenplätzen der Altstadtfenster raus. Da ist es gut, wenn es auch hohe Wagen gibt, die Umzugs-Höhepunkte also.

Etwa die Bremer Stadtmusikanten, die vollzählig aufgeschichtet erschienen sind. Oder der ausgewachsene bananengelbe Minion, mit Brille und Megafon. Er ist der einzige Wagen ohne Chauffeurs-Traktor – und bewegt sich trotzdem. „Schau mal“, sagt Max Buchdrucker und öffnet eine kleine Abdeckung der gelben Wand. Siehe da, den fahrenden Trecker hat der Minion völlig verschluckt. „Wir haben es geschafft, die Kugel mit Kunststoff und Pappmaschee um den Traktor drumrum zubauen“, erklärt der 15-jährige Wagenbauer. „Da sind wir richtig stolz drauf!“

Eine Banane zur Belohnung

Als Belohnung gibt’s ne Banane – für des Zuschauers Mütze. Und dazu eine Köstlichkeit aus der Après-Ski-Hütte? Da sitzt der Clown Gerda Fiedler drin und rollt über den Großen Umzug. Immerhin schon 80 Jahre alt ist sie, ein Urgestein der Clowns. „Mir send halt immer lustig“, erklärt sie das Geheimrezept der Clowns, mit dem sie dieses Jahr ihr 44. Jubiläum feiern. Auf dem Jubiläumswagen gibt’s daher nicht nur Aprés-Ski, sondern neun weitere Themen der Weiler Clown-Geschichte.

Nicht so brav sind da die Weiler Schelme. Die mögen Blondinen ¬ besonders deren Schuhe und Haare. Frisch von so einem Überfall zurückgekehrt ist Sandra Mayer. „Des gehört halt dazu“, sagt sie aber nur. „Damit bin ich groß geworden.“ Neben ihr bietet dagegen ein junger Herr seine Freundin feil. „Nehmt die mit“, ruft er – und wird kurzerhand selbst einkassiert.

Knallharte Knochenarbeit ist das für die Umzügler. „Aber wir kommen wieder“, ruft Gerhard Geroschus, ein Rammertweible aus Rottenburg. Nach einer Stunde Umzugsweg steht er auf dem Weiler Marktplatz – und ist begeistert. „So viele Zuschauer gibt’s wirklich nur hier“, stellt er fest. Glückliche Hexen, glückliche Zuschauer – und glückliche Mützen. So einfach ist das hier.