Staats- und Regierungschefs feiern die Einheit mit zwei besonderen Weinen: Sie enthalten Trauben aus allen deutschen Anbaugebieten. Ein Vorbild für Korea?

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Es ist nicht einfach, ein individuelles Geburtstagsgeschenk zu basteln, wenn der Jubilar selbst hohe Hürden errichtet. Man stelle sich zum Beispiel vor, jemand wollte der Bundesrepublik zum Einheitsfest einen Wein kredenzen, dessen Saft aus allen 13 Anbaugebieten in Deutschland stammt. „Das Regierungspräsidium Darmstadt hat eigens eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die prüfen sollte, ob wir das überhaupt dürfen“, sagt Erik Schweickert. Trotzdem hat sich der aus Niefern-Öschelbronn stammende Professor für Internationale Weinwirtschaft nicht beirren lassen. Mit knapp 500 Studenten der Fachhochschule Geisenheim hat er zwei Cuvées kreiert, die am Tag der Deutschen Einheit ihre höchste Weihe erfahren, wenn Staats- und Regierungschefs aus aller Welt sie bei der Jubiläumsfeier zum 25. Geburtstag der vereinten Republik verkosten.

 

19 Prozent Riesling aus Württemberg

Die Beiträge aus Württemberg stammen aus Stuttgart und dem Unterland: Das Heilbronner Weingut Albrecht-Kiessling hat einen Riesling beigesteuert, vom Collegium Wirtemberg aus Rotenberg und Uhlbach hat Daniel Kurrle, der Sohn des Geschäftsführers Martin Kurrle, einen Spätburgunder an seine Hochschule transportiert. „Eigentlich“, sagt der 21-jährige Student, „hätte es ein Merlot sein sollen.“ Aber der habe dann nicht so recht in die geplante rote Mischung gepasst. Also hat Vater Martin, vor 25 Jahren ebenfalls in Geisenheim ausgebildet, den hauseigenen Spätburgunder empfohlen. „So“, sagt Kurrle senior, „ist das Ganze auch noch zu einem generationenübergreifenden Projekt geworden.“ Und insgesamt laut Kurrle junior zu einer „schönen Botschaft, die wir senden wollen: dass viele bunte Teile eine Einheit ergeben – im Wein und im ganzen Land“.

Tatsächlich ist die alte Bundesrepublik vor 25 Jahren nicht nur um fünf Bundesländer gewachsen, sondern auch um zwei Weinanbaugebiete: Sachsen und Saale-Unstrut. Weil den dort erzeugten Weinen aber – wie auch in anderen nördlicher gelegenen Gefilden – häufig Zucker zugesetzt wird, um die geringere Sonneneinstrahlung auszugleichen und trotzdem den gewünschten Alkoholgehalt zu erreichen, war das Tüfteln kompliziert. „Wir durften nur Weine verwenden, die nicht angereichert sind“, sagt Erik Schweickert. Mit dem Ergebnis ist der Ideengeber umso zufriedener, zumal „die Cuvéeanteile der einzelnen Gebiete ziemlich exakt deren Verhältnis am gesamten Weinaufkommen in Deutschland entsprechen“. Nur Württemberg ragt heraus: In der weißen Mischung stammen 19 Prozent aus hiesigen Trauben, der Anteil Württembergs an der gesamten Rebfläche in Deutschland liegt bei elf Prozent.

Laut Gesetz ist die Einheitscuvée ein „Wein ohne Herkunft“

Doch trotz ihrer Qualität dürfen die beiden Einheitsweine kein Gütesiegel tragen. „Das Gesetz schreibt vor, dass wir sie als ,Weine ohne Herkunft’ deklarieren müssen“, sagt Schweickert. Das ist die unterste Stufe. Einen besonderen Kunden hat das aber nicht angefochten: Etliche der 3555 Flaschen hat die südkoreanische Botschaft bestellt. „Die hoffen auch auf eine Wiedervereinigung“, sagt Erik Schweickert.