In einer Serie begleiten wir den Weinbauer Fabian Rajtschan das ganze Jahr über bei seiner Arbeit im Weinberg. Von der Traube bis hin zu dem fertigen Tropfen. Heute: Das Keltern und der Ausbau in einer Kellerei.

Böblingen: Leonie Schüler (lem)

Feuerbach - Ist die Lese abgeschlossen, folgt das Keltern und Ausbauen des Weins. Beides erledigt Fabian Rajtschan in der Kellerei Kern im Remstal. Als letzte Rebsorte ist dieses Jahr der Riesling dran. 974 Kilogramm haben Rajtschan und seine Helfer Anfang Oktober geerntet. Der 28-Jährige zupft eine der grüngelben Trauben ab und schiebt sie sich in den Mund. „Sehr aromatisch mit einer Pfirsichnote“, murmelt er. Der Esstest ist für ihn spannend, denn das Aroma der Trauben entscheidet maßgeblich darüber, wie der Wein wird. „Der Hauptgeschmack kommt aus dem Weinberg, da habe ich die größte Einflussnahme. Im Keller erhält man die Qualität im Prinzip nur“, erklärt er. Trotzdem hat er auch dann noch ein paar Möglichkeiten, um den Rebsaft zu gestalten.

 

Unterschiede bei Rot-und Weißwein

Das Keltern beginnt damit, dass eine sogenannte Abbeermaschine die Beeren von ihrem Stil trennt. Je nachdem, welche Einstellung Rajtschan wählt, landen die Trauben weitestgehend intakt in einem Bottich oder leicht gequetscht. Als Faustregel gilt: Hochwertige Rotweinbeeren sollten möglichst ganz bleiben, da sich sonst Bitterstoffe aus der Schale lösen. Schließlich gären die Beeren zwei bis drei Wochen lang in der Maische. Weißwein wird hingegen schnell weiterverarbeitet, die gequetschten Beeren ziehen nur sechs bis zwölf Stunden durch. „Da benötigt man weniger Zeit, um Inhaltsstoffe aus der Schale herauszulösen.“

Zusätzliche Süße für den Alkoholgehalt

Bevor es ans Pressen geht, testet Rajtschan den Oechslegrad. Dieser gibt an, wie viel Zucker in den Trauben steckt. Daraus lassen sich Rückschlüsse ziehen, wie hoch später der Alkoholgehalt sein wird, denn der Zucker wird komplett in Alkohol umgewandelt. Beim Riesling misst Rajtschan 85 Grad Oechsle, was später rund 11,5 Volumenprozent Alkohol entspricht. „Das ist okay. Aber insgesamt hat uns die Natur dieses Jahr nicht so viel Zucker beschert.“ Dafür habe während der Reifezeit Anfang August zu wenig Sonne geschienen. Deshalb muss er bei anderen Sorten „der Natur ein bisschen auf die Sprünge helfen“ und vor der Gärung etwas Zucker hinzugeben. Der Wein wird dadurch nicht süßer, betont Rajtschan, lediglich der Alkoholgehalt höher. Dieser sei als Geschmacksträger ebenso wie für die Haltbarkeit wichtig. „Zucker darf man aber nur bei Tafel- oder Qualitätswein hinzugeben, bei Prädikatsweinen ist es verboten.“ Soll der Wein tatsächlich süßer schmecken, könne nach der Gärung sogenannte Süßreserve hinzugegeben werden, also zuvor eingelagerter Traubensaft.

Erst wird gekühlt, dann darf der Trank erst gären

Gepresst werden die Trauben auf sanfte Methode, indem in der Presse ein Tuch langsam aufgeblasen wird. Der Vorgang dauert bei Weißwein zwei Stunden, bei Rotwein eine Stunde. Bei letzterem geht es schneller, da die Beeren schon in der Maische aufgeweicht sind. Der Druck der Presse wird nach und nach auf bis zu 1,9 bar erhöht. Anschließend wird der Most in 1500- bis 4000-Liter-Tanks gepumpt und rund 24 Stunden lang gekühlt, damit die Gärung nicht sofort einsetzt. Erst sollen sich nämlich die „Trubstoffe“, kleinste Partikel, am Tankboden absetzen. Aus ihnen könnten sich Fehlaromen entwickeln. Deshalb wird nur der klare Saft vergoren.

Hefe als kleiner Helfer für den guten Wein

Für die Gärung gibt Rajtschan Hefe hinzu. „Zwar würde es auch ohne gehen, dann würde es aber viel länger dauern und die Gefahr, dass sich falsche Aromen wie Uhu oder faule Eier entwickeln, ist viel größer“, sagt der Fachmann. Von 500 verschiedenen Hefestämmen kommen für Rajtschan etwa zehn für die Weingärung in Frage. „Man kann mit den verschiedenen Sorten ein bisschen spielen, um Varianz in das Aroma reinzubringen“, erklärt Rajtschan. Manche Hefen würden eher Zitrusaromen zu Tage fördern, andere den Geschmack nach tropischen Früchten. Keinesfalls würden Hefen ein künstliches Aroma hinzufügen, vielmehr lockten sie das aus den Beeren heraus, was ohnehin in ihnen vorhanden ist. Später wird die Hefe wieder abgezogen.

Die Auswahl des Fasses ist entscheidend

Schwere Rotweine füllt Rajtschan teilweise in Eichenfässer um. „Die Weine werden dadurch weicher, runder und früher trinkreif“, sagt er. „Aber man muss schauen, ob es zum Wein passt.“ Weißweine bleiben normalerweise im Edelstahltank, seit vergangenem Jahr fügt Rajtschan aber etwa ein Drittel seines Kerners ebenfalls in Barriquefässer. Auch der Kerner sei dadurch cremiger und weicher geworden. „Das war ein großer Erfolg, aber es ist nicht jedermanns Geschmack.“

Die Probe, die Gewissheit verleiht

Alle zwei bis drei Tage probiert Rajtschan den Jungwein. „Das ist immer ein spannender Moment, weil man dann schon erste Schlüsse ziehen kann, wie der Wein schmeckt und ob man das Jahr über alles richtig gemacht hat“, sagt er. Gleichzeitig testet er den Jungwein aber auch darauf, ob er noch süß schmeckt. Je nach Sorte gibt er nach ein paar Tagen oder einigen Wochen eine Probe ins Labor, wo der Zuckergehalt gemessen wird. Es gilt: „Wenn kein Zucker mehr da ist, ist die Gärung abgeschlossen.“ Dann wird der Wein in einen kleineren Tank gekippt und bis zum Spund aufgefüllt, sodass keinerlei Sauerstoff zurückbleibt und der Wein nicht oxidiert. In diesem Zustand lässt Rajtschan den Rebsaft so lange liegen, bis er ihn in Flaschen abfüllen möchte. Meistens geschieht dies im Januar oder Februar – je nachdem, wie lange die Vorräte aus dem Vorjahr reichen.