Das ansonsten sehr schöne Neckartal hat für Freunde des trockenen Weines nur einen Haken: Die meisten Tropfen auf der Karte sind klassisch-schwäbisch, also süß. In unserer Weinkolumne stellen wir eine Ausnahme von dieser Regel vor.

Nordheim - An manchen Abenden möchte man lyrisch werden. Dann fallen einem so herrlich kitschige Bilder ein – von einem Glas Rotwein, zum Beispiel, das einem vorkommt wie ein Musiker, der mal im Orchester spielt (als Begleiter eines guten Essens) oder als Solist auftritt (wenn gerade kein Essen zur Hand ist). Ist das nicht schräg? Man lächelt, saugt am letzten Tropfen und beschließt, das müde Haupt zur Ruh zu betten. Nur: Wohin?

 

An der Mosel ist das einfach. Praktisch jedes Weingut in Ufernähe verfügt über Fremdenzimmer. Das Neckartal ist in der  Hinsicht eher Entwicklungsland. Ein Gegenbeispiel befindet sich in Nordheim. Ricarda und Siegfried Müller betreiben in dem Flecken vor den Toren Heilbronns nicht nur ihr Weingut im Auerberg, sondern auch ein Gästehaus mit drei Doppelzimmern und drei Ferienwohnungen sowie eine Weinstube mit einer ordentlichen Küche. Wer will, kann dort ein Sorglos-Wochenende verbringen, das für Freunde des trockenen Weines nur einen Haken hat: Die meisten Tropfen auf der Karte sind klassisch-schwäbisch, also süß. Eine löbliche Ausnahme ist die 2009er Lemberger Spätlese. Der Wein weist einen dezenten Holzton und ein rundes Aroma von Marzipan und dunkler Kirsche auf. Mit nur 12 Volumenprozent Alkohol ist er zudem so leicht geraten, dass man auch einen zweiten Schluck nehmen kann, ohne gleich kapitulieren zu müssen. Und der dritte ist dann das wohlige Betthupferl . . .

Das Urteil der StZ-Weinrunde: Kathrin Haasis: Ein Grund, nach Nordheim zu fahren, ist dieser sanfte, leicht marmeladige Lemberger eher nicht. Wenn man zufällig vorbeikommt, kann man aber anhalten. Dann unbedingt auch die Küche probieren, um die Säure abzufangen.

Harald Beck: Wäre die deutliche Säure nicht, dann würde dieser Lemberger wohl vor lauter sanfter Saftigkeit fast jeglichen Charakter verlieren. Schätze, die Träume nach dem zweiten oder dritten Viertele können da nur höchst harmonische sein.