Der StZ-Weinkolumnist Holger Gayer hat ein Weingut in Kleinbottwar wiederentdeckt, in dem er früher lieber Spezi getrunken hat.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Zum Glück haben wir Menschen die Gabe des Vergessens. Was wäre sonst, wenn wir zeitlebens alles speichern müssten, was wir erleben? Statt eines Kopfes hätten wir einen überquellenden Schwamm auf dem Hals – und niemand da, der ihn auswringen könnte. Die Kehrseite der Gabe: Man vergisst auch Dinge, die man sich fest vorgenommen hat. Seit Jahren will ich zum Beispiel den Forsthof in Kleinbottwar besuchen. Als Kind bin ich manchmal dort gewesen; ich erinnere mich an eine Wirtschaft und ein Weingut, das mich damals allerdings nicht interessierte. Ich mochte lieber Spezi. Das ist heute anders.

 

Trotzdem habe ich das heute am Forsthof ansässige Weingut eher zufällig wiederentdeckt – vor den Toren Stuttgarts. Auf der Slow-Food-Messe hatte die Wengerterfamilie Roth ein Ständchen, klein und unscheinbar, aber gut bestückt mit einem Querschnitt aus einem bemerkenswerten Sortiment. 2009 haben die Roths auf ökologischen Weinbau umgestellt; seither kultivieren sie die pilzwiderständigen Sorten ebenso wie die traditionellen Riesling, Trollinger und Lemberger. Mir hat’s der trockene Grauburgunder besonders angetan. Ganz frisch kommt der 2013er Biowein aus der Flasche, mit einem herrlichen Duft von Stachelbeere, Quitte und Birne, einem tollen Schmelz und einer so verhaltenen Säure, dass selbst der empfindlichste Magen von Sodbrennen verschont bleibt. Und das Ganze für 7,20 Euro – da lohnt sich der Weg nach Kleinbottwar.

Das Urteil der StZ-Weinrunde: Kathrin Haasis Der Pinot Grigio tendiert ja in der Masse eher zur Langeweile, dieser Grauburgunder ist aber eine spannende Geschichte. Er schmeckt nach Quitte, Birne, Zitrus und Akazienhonig, ist also eine ganz vielschichtige Angelegenheit.

Harald Beck Das Schöne ist: der Grauburgunder bleibt richtig präsent, schmeckt bis zum Schluss, auch wenn sich zu Quitte und Birne ein etwas herber Touch gesellt. Ein interessanter Tropfen für alle, die mehr auf Schmelz, als auf leichte Frische stehen.

2013er Grauburgunder trocken, 7,20 Euro, Weingut Forsthof, Steinheim-Kleinbottwar, Tel. 0 71 48/61 34, www.weingut-forsthof.com