Der Jahrgang 2015 weckt im Stuttgarter Norden hohe Erwartungen. Die Weingärtner vor Ort sind sehr optimistisch.

Stuttgarter Norden - Die Dornfeldertrauben am Lemberg von Jungwinzer Fabian Rajtschan müssen in diesem Jahr wohl ganz besonders süß und verlockend gewesen sein. Denn Rehe, Füchse und Dachse kamen aus dem nahen Wald und „fraßen uns einige Beeren weg“, sagt Rajtschan. Die hungrigen Wildtiere gingen teilweise erstaunlich clever zu Werke. Denn Rajtschan hatte seine Rebenreihen extra mit blauen Netzen vor den vierbeinigen Räubern geschützt. Doch einige Wildtiere knackten die engmaschige Schutzvorrichtung: „Neulich habe ich ein Reh ertappt, wie es die Wäscheklämmerchen, die das Netz zusammenhalten, einfach weggemacht hat und dazwischen den Kopf durchgesteckt hat, um an die Trauben heranzukommen“, berichtet Rajtschan. Auch andernorts schlagen die Winzer Alarm, dass ihnen vor allem Wildschweine, Rehe und Hirsche zu schaffen machen. Gestern hat Fabian Rajtschan seinen Dornfelder vom Stock geholt, damit war dieses Problem erledigt. Der Gewürztraminer kam bei ihm bereits am Dienstag dran. Auch einen Teil des Rieslings hat er bereits in die Kelter gebracht. Auffallend hohe Mostgewichte – beim Gewürztraminer 94 Grad Öchsle – sind dabei. Doch es geht nicht nur darum, auf einen hohen Zuckergehalt zu schauen. Zu schwere Weine will heutzutage keiner mehr. Wichtig waren die kühlen Nächte im September. Die sorgen für ein ausgewogenes Spiel der Aromen. Hinzu kommt: „Die Trauben sind in diesem Jahr sehr gesund“, sagt Rajtschan. Keine Pilzkrankheiten und auch keine Kirschessigfliege hat der preisgekrönte Winzer an seinen Rebstöcken gesichtet. Deshalb ist er durchaus optimistisch, dass es ein außergewöhnlich guter Jahrgang werden könnte. Manches liegt bereits jetzt im Auslesebereich. „Es sieht dieses Jahr nicht schlecht aus“, sagt auch Helmut Wirth, Vorsitzender des Wein-, Obst- und Gartenbauvereins. Die frühreifen Sorten wie zum Beispiel den Müller-Thurgau seien teilweise schon geherbstet, der Trollinger darf noch ein bisschen reifen.

 

Auch dieses Weinjahr hatte seine Tücken

„Momentan sieht es ganz gut aus,“, sagt auch Marlies Maurer aus Feuerbach. Die Weinstöcke hätten die zeitweilige Trockenheit „gut weggesteckt und kompensiert“. Den Trollinger in ihrem 13 Ar großen Wengert will sie am 3. Oktober lesen. Zum jetzigen Zeitpunkt will sie noch keine abschließende Prognose wagen. Denn Weinmacher sind von Haus aus eher skeptische Menschen. Die ganzjährige Arbeit im Wengert lehrt sie Demut. Auch dieses Weinjahr hatte seine Tücken. Der heiße Sommer 2015 brachte fast alle gehörig ins Schwitzen – auch die Winzer. Sonne und Trockenheit trieben zwar den Zuckergehalt der Beeren in die Höhe. Zwischenzeitlich fürchteten aber viele Wengerter, dass die Ertragsmenge sehr klein bleiben könnte. Gerade noch rechtzeitig kam der Regen.

Weinbaufamilie aus Tradition

Auch Eberhard Schäfer aus Zuffenhausen rechnet mit einem guten Jahrgang. Der Reifegrad und die Qualität der Trauben, die an seiner Steilhanglage am Dachsrain wachsen, seien gut. Mostgewichte um die 80 Grad Öchsle hat sein Trollinger bereits jetzt. Und auch sonst ist der 73-Jährige guter Dinge. Ein paar helle „Beerle“ sind noch dabei, aber bis zur Trollingerlese am 3. Oktober ist noch Zeit. Wichtig sei, bei der Lese gründlich zu sein und alles, was faulig ist, zu entfernen, sagt er. Die ganze Familie wird am 3. Oktober im Einsatz sein. Die Schäfers sind schließlich eine Weinbaufamilie aus Tradition. Eberhard Schäfers Vater war 40 Jahre lang der Zuffenhäuser Keltermeister und er selbst hatte danach auch 20 Jahre diese Funktion inne. Längst gibt es im Ort keine Kelter mehr. Eberhard Schäfers Lesegut geht nach Cannstatt. Anstrengend ist die Arbeit im Wengert allemal: „Ich habe 50 Prozent Gefälle in meinem Weinberg.“ Bereits in den 1970er Jahren übernahm er den elterlichen Wengert im Gewann Dachsrain. Auch die Sorten Samtrot, Schwarzriesling und Riesling gedeihen an den steilen Hängen in der Nähe der Friedrichswahl und dem Pragsattel sehr gut.