Der schöne Sommer hat den Trauben von Lemberger, Riesling und Co. gut getan. Die Weingärtner der Genossenschaft Weinfactum Bad Cannstatt sind zufrieden mit der Lese, die derzeit in vollem Gange ist.

Bad Cannstatt - Dunkelbau glänzen die Lemberger-Trauben im frühen Sonnenlicht. Die Regennässe hängt noch an den Weinblättern und im Gras zwischen den akkuraten Weinrebenreihen. An diesem schönen Dienstagmorgen ist es trocken genug für die Traubenernte. Karl Birk greift zu seiner scharfen Rebschere. Schnipp macht sie am Stil der Traube, die andere Hand fängt das Büschel auf und die Trauben landen mit Schwung in einem großen, grünen, eckigen Behälter. Dann ist die nächste Traube dran.

 

Marc Nagel steht daneben in seinem gepachteten Weinberg am Cannstatter Berg unterhalb des Robert-Bosch-Krankenhauses und ist zufrieden mit der diesjährigen Ernte: „Der Wein wird qualitativ sensationell gut“, sagt der Geschäftsführer von Weinfactum Bad Cannstatt. Seit Kurzem nennen sich die Weingärtner Bad Cannstatt so. „Wir wollten uns einzigartig machen“, erklärt Nagel. Aus Vermarktungsgründen: „Wir sind vom Gedanken geprägt, dass wir Genuss aus Meisterhand machen.“ Nicht industriell, sondern handwerklich.

„Die Trauben sind topgesund“

Handwerklich geht es auch im Weinberg zu: Inzwischen sind immer mehr Helfer eingetroffen. Ausgerüstet mit Eimern und Scheren leeren sie einen Rebstock nach dem anderen. Gerhard Schmid, Nagels Schwiegervater, holt mit einem kleinen Traktor die großen Wannen aus dem Weinberg und schüttet sie mit einem Kran in noch größere Behälter auf dem Anhänger eines Traktors. Ein wenig maschinelle Unterstützung braucht auch Weinfactum.

„Die Trauben sind topgesund“, sagt Marc Nagel und zupft eine Beere von der Rebe. Richtig süß schmeckt die kleine Frucht. Das könnte man auch mit dem Refraktometer herausfinden, aber den braucht Nagel gar nicht, denn: „Öchsle sind nicht alles“, sagt er. Die Weinqualität beginne beim Winterschnitt und höre mit der Ernte nicht auf. Dieses Jahr habe der trockene Sommer die Trauben klein und süß gemacht – also für hohe Öchslezahlen gesorgt. Aber zu viel Süße gebe zu viel Alkohol im Wein. Das will Weinfactum nicht.

In diesem Jahr wurde früh mit der Lese begonnen

Ortswechsel: Einige Kilometer weiter sieht die Welt der Reben ganz anders aus. Mäuerchen über Mäuerchen ziert die Steillage zwischen Mühlhausen und Münster. Eine schmale Terrasse an der anderen. Auch von diesem Berg kommen die Trauben zur Kelter von Weinfactum beim Römerkastell. Viele hängen allerdings nicht mehr an ihren Stöcken. „Wir haben in diesem Jahr extrem früh angefangen mit der Ernte – wegen der frühen Reife“, erklärt Marc Nagel. Bereits Mitte September sind die Helfer in den Weinbergen unterwegs gewesen. „Nächste Woche sind wir fertig.“ In anderen Jahren beginne die Ernte erst im Oktober und ziehe sich in den November hinein.

Vor allem in Bad Cannstatt und Mühlhausen liegen die Weinberge von Weinfactum. Die 70 aktiven Weingärtner in der Genossenschaft (von insgesamt 100 Mitgliedern) haben aber auch im Bottwartal, Neckartal, Feuerbacher Tal sowie im Remstal Reben. Angebaut werden Merlot, Cabernet Sauvignon, Syrah, Chardonnay und Zweigelt – nicht zu vergessen der Trollinger und der Lemberger. Insgesamt bewirtschaften sie 62 Hektar. „Unser Kassenschlager in diesem Sommer war vom Cannstatter Zuckerle der Trollinger Weißherbst“, sagt Nagel. Über das gesamte Jahr gesehen sei der Riesling das Zugpferd der Genossenschaft. „Große Erfolge haben wir auch weiterhin mit unserem Trollinger. Man mag es gar nicht glauben.“

5600 Kilogramm Trauben in viereinhalb Stunden

Der Trollinger ist allerdings schon abgeerntet. Am Cannstatter Zuckerle kann der Geschäftsführer nur noch leere Reben zeigen. Lediglich der Merlot hängt noch an manchen Stellen. „Diese Traube eignet sich sehr gut für unser Klima und unsere Lagen in Württemberg“, sagt Nagel. Und dann lässt er sich doch hinreißen und nennt ein paar Öchslezahlen: „Wir liegen beim Trollinger bei über 80 Grad, was viel ist. Der Weißwein hat über 90 Grad – und bei vielen Rotweinen sind wir bei über 100 Grad Öchsle“, sagt Nagel.

Die Helfer am Cannstatter Berg sind derweil in der Endphase der Ernte. Für die rund 40 Ar Ertragsfläche braucht die Familie Nagel/Schmid 14 Helfer. In vier bis viereinhalb Stunden haben sie rund 5600 Kilogramm Trauben gesammelt, die mit dem Traktor bei der Kelter abgeliefert werden. Und in zwei Jahren steht dann der Lemberger mit einem Stern im Regal: „Guter Wein braucht eben Zeit“, sagt Marc Nagel.