In diesen Tagen beginnt die Lese auf den Weinbergen in und um Stuttgart. Trotz oder gerade wegen der extremen Wetterbedingungen erwarten die Wengerter eine gute Lese und hoffen auf einen Spitzenjahrgang.

Stuttgart - Wir freuen uns richtig auf den Herbst“, sagt Jochen Beurer vom Weingut Beurer in Kernen-Stetten. Die Abkühlung der vergangenen beiden Wochen, vor allem in den Nächten, soll den Trauben in seinem Weinberg nach einem warmen und trockenen Sommer gutgetan haben. „Die Trauben sind in einem tollen Zustand, genau so, wie man sich das wünscht“, sagt er. Ende dieser Woche soll es mit der Lese losgehen. Zunächst mit Müller-Thurgau, dann mit Sauvignon Blanc und Spätburgunder.

 

Das ist zwar etwas früher als in den Jahren zuvor, doch später als während der Trockenperiode erwartet. „Wir versuchen, nicht allzu euphorisch ranzugehen, und bremsen noch ein bisschen“, sagt Beurer. In seinem Weinberg wird noch gepokert mit diesem Jahrgang, der ein außergewöhnlicher werden könnte. So werden auch die Ertragseinbußen durch die Trockenheit hingenommen: Die Trauben sind in diesem Jahr kleiner als in regenreichen Zeiten. Vor allem die jungen Pflanzen, die noch nicht tief in der Erde verwurzelt sind, haben unter der Trockenheit gelitten.

Die Trauben sind optimal gereift

„Im Sommer hat es in neun Wochen gerade einmal zehn Liter geregnet – das ist wie nichts“, sagt Jens Zimmerle vom Zimmerle Weingut in Korb. Er hat deshalb in der Trockenperiode die Reben bewässert. Vor allem die jungen Pflanzen, die zwischen einem und sieben Jahre alt sind. Der Wengerter und sein Team fangen in der nächsten Woche mit der Lese an, mit Gewürztraminer und Burgunder – beides Grundlage für den hauseigenen Sekt. Allzu große Einbußen erwartet er nicht, 80 Prozent schätzt er, ernten zu können. „Es war fünf vor zwölf, aber das Wetter hat gerade noch die Kurve gekriegt“, sagt er. Die Trauben hätten optimal reifen können, auch er rechne deshalb mit einem überdurchschnittlich guten Wein, wenn nicht gar einem Spitzenjahrgang, wie er vorsichtig formuliert. Die Öchsle etwa seien deutlich höher als gewöhnlich. Beurer hingegen hat die Öchsle noch nicht gemessen, von der Aussagekraft des Zuckergehalts ist er nicht vollends überzeugt: „Die Aromatik und die Kernreife sind viel entscheidender. Dafür probiere ich die Trauben.“

Hans-Peter Wöhrwag aus Untertürkheim hat einen genauen Wert: „Wir haben 97 Grad Öchsle und wunderschöne Trauben“, sagt er. Im Gegensatz zu seinen Kollegen hat er in der vergangenen Woche schon mit der Lese begonnen, in seinen Weinbergen sind die Trauben so früh reif wie noch nie. Nur 2003, dem bisher letzten Sommer mit extremer Hitze, habe die Lese ebenso früh gestartet wie in diesem Jahr. Zwar habe er einen hohen Verlust zu verzeichnen, dafür seien die Trauben von sehr guter Qualität. „Ich bin Optimist, für mich ist jeder Jahrgang der beste Jahrgang“, sagt er lachend. Ein großer Vorteil der Trockenheit: die Kirschessigfliege, die den Reben im vergangenen Jahr zu schaffen gemacht hatte, ist in diesem Jahr noch nicht gesichtet worden. Auch sie ist, so scheint es, kein Freund großer Hitze. Von Krankheiten wie Fäulnis und Pilzen sind die Pflanzen durch den Mangel an Regen ebenfalls nicht betroffen. „Dadurch wird die Lese in diesem Jahr deutlich entspannter“, ergänzt Jochen Beurer.

Die Fachleute trauen dem Riesling den Klimawandel zu

Auf die zu erwartende Klimaveränderung in den kommenden Jahren versuchen sich die Wengerter allesamt einzustellen. „Wir haben in der Vergangenheit viele extreme Wettersituationen erlebt: heftige Gewitter, Trockenheit, lange Regenperioden, Hitzewellen“, sagt Zimmerle. Waren manche Lagen noch vor dreißig Jahren für den Anbau von Riesling geeignet, sei es dort nun deutlich zu warm. „Der Sortenspiegel könnte sich schon ändern“, sagt er. Die Zukunftsvision jedoch, dass im Remstal nur noch Rebsorten reifen, die sonst in Südfrankreich zu finden sind, verwirft er lachend: „Wir werden überwiegend bei unseren regionalen Sorten bleiben.“

Derselben Meinung ist auch Beurer: „Wir trauen unserem Riesling durchaus zu, dass er auch in Zukunft bei extremen Wetterbedingungen Bestand hat.“ Wöhrwag sieht ebenfalls positiv in eine Zukunft mit verändertem Klima: „Schwierige Jahrgänge sind etwas ganz Besonderes und Spannendes“, sagt er. In solchen mache sich die mühevolle Arbeit der vergangenen Jahre bezahlt, beispielsweise die Pflege der Reben, die über Jahre tief gewurzelt haben. Bei solchen Wetterbedingungen trenne sich die Spreu vom Weizen. „Wir lieben die Herausforderung!“, sagt Wöhrwag.